Star Trek - The Next Generation: 113
"The Masterpiece Society" (Das künstliche Paradies)

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Staffel5
112: "Violations"
114: "Conundrum"
US-Erstsendung:
10.2.1992

SAT1-Erstsendung:
15.4.1994

Regie:
Winrich Kolbe

Drehbuch:
Adam Belanoff and
Michael Piller

Story:
James Kahn and
Adam Belanoff

Gaststars:
John Snyder
als Aaron Connor

Dey Young
als Hannah Bates

Ron Canada
als Marcus Benbeck

Inhalt:

SzenenbildDie Enterprise beobachtet ein massives Phänomen, das unter dem Namen "stellares Fragment" läuft; es durchquert ein Sonnensystem und wird einigen Planeten genügend nahe kommen, um beachtliche Erdbeben auszulösen. Dies wird zu einem unerwartet großen Problem, als auf einem der Planeten eine bewohnte Biosphäre entdeckt wird. Darin befindet sich eine Gesellschaft von Menschen, die sich selbst genetisch reguliert und keinen Kontakt mit der Außenwelt wünscht. In Anbetracht der drohenden Gefahr wird eine Ausnahme gemacht: Die Biosphäre erhält Besuch von einer Delegation der Enterprise. Eine kurze Beziehung zwischen Troi mit dem Leiter der Kolonie zeigt bald, dass auch ein klein wenig Kontakt rasch ein unerwünschtes Eigenleben annehmen kann.

Es gelingt Geordi und einer Physikerin aus der Biosphäre, den Kurs des stellaren Fragments genügend zu ändern, um die Katastrophe zu verhindern. Jedoch genügte der Kontakt mit der Crew der Enterprise, um den Bewohnern der Biosphäre ein Gefühl dafür zu vermitteln, was sie verpassen, indem sie sich isolieren. Sie beginnen, ihre eigene Gesellschaft zu hinterfragen. Einige wünschen, die Biosphäre zu verlassen – eine Auslenkung aus dem Gleichgewicht, die diese präzise geplante und regulierte Gesellschaft möglicherweise nicht verkraften wird. Die Enterprise zieht davon mit der Einsicht, dass sie die Kolonie trotz bester Absichten zerstört hat.

Kommentar:

"The Masterpiece Society" erzählt eine recht klassische Geschichte – klassisch für "Star Trek" – über die dogmatische, isolierte Gesellschaft, die stagniert und untergeht. Die Episode nähert sich der Geschichte und den Themen aber mit einer derart zähflüssigen, gedankenlosen und unprovokativen Mentalität, dass letztlich nicht viel übrig bleibt als eine schlecht aufstoßende, sülzige Liebesgeschichte.

Beziehungsgeschichten um Deanna Troi haben eine Tendenz, schlecht aufzustoßen, so in der ersten Season in "Heaven" (dt.: Die Frau seiner Träume) und in der dritten in "The Price" (dt.: Der Barzanhandel). (Vielleicht ist es diesem Kontrast zuzuschreiben, dass sie mit Riker immer willkommene Chemie entwickelt, so in "Ménage à Troi", dt.: Die Damen Troi, oder "Second Chances", dt.: Riker : 2 = ?.) Die Beziehungsgeschichte in "The Masterpiece Society" finde ich besonders misslungen. Wie in "The Price" wird Deanna mit einem unansprechenden Darsteller verkoppelt, und wiederum entgeht mir, worin genau der Punkt der ganzen Geschichte liegen soll. Offenbar geht es darum, dass die Beziehung den Kolonieleiter kompromittiert – man könnte es ein Symbol für den Untergang der ganzen Kolonie nennen, der von der Einmischung der Enterprise herbeigeführt wird. Falls dies der Gedanke ist, so wurde das Ziel nach meinem Empfinden verfehlt. Wenn der Kolonieleiter doch wenigstens einen Fehler gemacht hätte, der irgendwie integral mit der Geschichte verknüpft wäre – statt bloß die hypothetische Möglichkeit eines Fehlurteils zu erwähnen! So wirkt diese Möglichkeit des Fehlurteils aufgrund einer romantischen Beziehung mehr wie ein Nachgedanke, der eingefügt wurde, um der Beziehungsgeschichte eine Bedeutung in der größeren Geschichte um den Untergang der Kolonie zu geben. Ähnlich leer dreht aus den gleichen Gründen der künstliche Konflikt um Deannas Geständnis ihrer Beziehung gegenüber Picard. Es geschah ja nichts Nachteiliges; welche Schuld lastet sich Deanna an, und wie ist Picard betroffen? Das Rohmaterial dieser Geschichte ist sicherlich nicht völlig verfehlt, und ich spüre im Hintergrund einen oder zwei gelungene Gedanken: Freilich macht es Sinn, dass der Leiter der Kolonie und größte Proponent der Isolation ausgerechnet zu einer intimen Beziehung verleitet wird. Aber letztlich greifen die Zahnräder nicht ineinander, und eine böse Zunge (meine offenbar) könnte bemerken, dass die Zahnräder vielleicht zu schlüpfrig wurden, befleckt von dem generellen Gefühl der Schmierigkeit, das mit dieser Beziehung und dem Gastdarsteller einher geht.

Doch es ist wirklich die ganze Geschichte, die einen unüberlegten Eindruck hinterlässt, und Deannas Beziehung ist nur ein Teil davon. Die eugenisch manipulierte Gesellschaft wird hier beispielsweise schlecht gezeichnet: Ich bekomme nie einen greifbaren Eindruck davon, was genau diese Gesellschaft ausmacht oder was daran zu verurteilen ist. Es scheint mir sogar, dass die Episode von uns verlangt, die genetisch regulierte Gesellschaft an und für sich als etwas Böses zu verstehen, das ohne weitere Betrachtung verurteilt gehört (der Begriff "Genmanipulation" soll vermutlich a priori als verwerflich verstanden werden – im Debattierclub gewinnt man so keine Punkte, mag man noch so Recht haben). Die Geschichte könnte eigentlich genau so gut anhand eines isolierten religiösen Ordens erzählt werden: Alle Nachteile der Kolonie scheinen letztlich aus ihrer Isolation zu entstehen – unabhängig davon, ob man in der Isolation betet oder Gene manipuliert. Die Episode scheint die Stagnation der Gesellschaft auf Genmanipulation zu beziehen, ohne sich zu bemühen, dies zu begründen oder gar zu zeigen. Es ist bezeichnend, dass der abschließende Konflikt der Episode nicht davon handelt, die Genmanipulation zu beenden, sondern davon, ob man die Kolonie verlassen darf.

Weshalb die Genmanipulation ihrerseits zu verurteilen ist (und sie ist es in gewissen Formen zweifelsohne), wird in der Episode kaum thematisiert, und wenn, dann stolpernd. Wenn die Episode Stellung beziehen will gegen Genmanipulation, sollte sie uns dann nicht die Übel aufzeigen, die sie in einer fiktiven Kolonie anrichtet? Es wird wenig Aufwand betrieben, um uns das näherzubringen. Es gibt eine eher blutleere Diskussion zwischen Troi und Picard, in der sich beide dagegen aussprechen, ein genetisch "vorprogrammiertes" Leben zu führen. Dies klingt auf den ersten Blick unheimlich tief, aber es verrät in meinen Augen eher die Verwirrung der Autoren ob der Frage, was Gene sind, wie sie wirken, wie streng sie ein Leben bestimmen, und was es bedeutet, sie zu manipulieren. Wenn Gene mein Leben strikt vorbestimmen (ich sage: wenn), dann ist dies doch auf jeden Fall so. Schließlich habe ich ja Gene ganz unabhängig davon, ob sie manipuliert wurden oder nicht. Die Frage wäre also vielmehr, ob jemand diese Vorbestimmung ändern darf oder soll. Falls sich Troi und Picard an einer Gesellschaft stören, die ihren Bewohnern feste Rollen zuweist, dann ist dies eine andere Diskussion und hat wenig mit Genen zu tun. Wenn sich die Episode daran stört (wie ich vermute), dass eine Gesellschaft einer Person ein unumstößliches Schicksal zuweist aufgrund ihrer Gene (im Sinn von Huxleys "Brave New World"), dann macht sie schmerzlich wenig daraus.

Geordis Geschichte spricht die Nachteile des manipulierten Genoms an, kurz und irgendwie halbherzig. Die Kolonie wird ja letztlich dank einer Behinderung gerettet, die es in der Kolonie nicht mehr gibt – ein etwas offensichtlicher Kniff vielleicht, aber ich würde ihn erzählerisch nicht verurteilen wollen. Es ist allerdings ganz und gar nicht klar, wie wir die Tatsache verstehen sollen, dass es in der Kolonie keine Behinderung mehr gibt. Heißt das, dass behinderte Embryonen abgetrieben werden? Oder heißt es vielleicht nur, dass die Behinderung – die diese Episode natürlich in den Genen lokalisiert – einfach "geflickt" wird? Letzteres erscheint mir nämlich recht wahrscheinlich bei einer Gesellschaft, die so viel von Genetik versteht, dass sie eine ganze Gesellschaft modellieren kann, so weit sogar, dass Personen nicht nur mit den passenden Fähigkeiten für einen Beruf geboren werden, sondern ihn auch unbedingt und freudig ausüben möchten. Die Heilung vererbbarer Krankheiten verlangt wohl in den meisten Fällen weniger subtile Manipulation. (Dies ist keine Fachsimpelei, behaupte ich. Es geht mir um die Konsistenz des Universums, so wie eine Gesellschaft vermutlich nicht glaubwürdig wäre, wenn in ihr der Verbrennungsmotor und die Helebarde gleichermaßen im Gebrauch wären.) Es gäbe also auch in dieser Kolonie noch einen Geordi, aber er wäre mit funktionellen Augen geboren worden. Er könnte seinen Beitrag als Mensch leisten, einzig die Technik für seinen Visor wäre unnötig (dafür gäbe es andere). Ist die drakonische Botschaft der Episode, dass man eine Behinderung vor der Geburt auf keinen Fall heilen darf? Dürfen wir Gottes Plan vielleicht nicht stören? (Aber gehören Kropf und Karies dann nicht auch zu diesem Plan, und würde die Episode behaupten, man solle gegen diese Krankheiten nicht mehr vorbeugen?) Wie gesagt finde ich es witzig, dass Geordis Visor die Kolonie rettete: Behinderte Menschen haben einen großen Beitrag zu leisten, und die Episode hat damit sicherlich das Herz am richtigen Fleck. Schade nur, und bezeichnend für die Schwerfälligkeit der Episode, dass Geordi die Ironie ausformulieren musste. Wäre es nicht freundlich, dem Zuschauer etwas Arbeit zu überlassen?

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Letztes Update:
2. Augustr 2004

©2004 Rafael Scholl.