Star Trek - The Next Generation: 117
"The Outcast" (Verbotene Liebe)

Hauptseite
Staffel5
116: "Ethics"
118: "Cause..."
US-Erstsendung:
16.3.1992

SAT1-Erstsendung:
27.4.1994

Regie:
Robert Scheerer

Drehbuch:
Jeri Taylor

Gaststars:
Melinda Culea
als Soren

Callan White
als Krite

Megan Cole
als Naar

Inhalt:

SzenenbildDie Enterprise assistiert der androgynen Rasse J'naii, ein verschollenes Shuttle zu bergen. Dabei stößt man auf eine Raumanomalie, die in der Theorie als Nullraum bekannt ist. Riker soll mit einem Spezialistenteam der J'naii versuchen, das Shuttle zu bergen. Er arbeitet mit Soren zusammen. Nachdem Soren viele Fragen über zweigeschlechtliche Wesen hat, gesteht Soren schließlich, etwas für Riker zu empfinden. Denn gelegentlich gibt es bei den J'naii welche, die sich als männlich oder weiblich empfinden; doch sie müssen sich verstecken, weil sie in der Gesellschaft geächtet sind. Riker erwidert Sorens Gefühle. Als die Romanze der beiden publik wird, lässt Krite die J'naii Soren festnehmen. Riker erscheint in der Verhandlung und nimmt alle Schuld auf sich, doch Soren will sich nicht weiter verstecken. Sie wird einer Therapie unterzogen. Als sich Riker erneut auf den Planeten begibt, um Soren zu befreien, ist Soren bereits behandelt worden und empfindet nichts mehr für Riker.

Kommentar:

Jahrelang gab es vor allem von homosexuellen Fans die Forderung, das Thema Homosexualität in Star Trek aufzugreifen. Witzigerweise geschah das zu einem Zeitpunkt, als das Thema "Beziehung" in Star Trek ohnehin noch jungfräuliches Brachland war, so dass eine homosexuelle Beziehung vollkommen fehl am Platz gewirkt hätte. "The Outcast" war schließlich ein Versuch, die Thema in Form einer Parabel zu behandeln. Natürlich ist die Diskriminierung Homosexueller in einer "idealen Gesellschaft" so wenig denkbar wie Rassismus oder Sexismus, daher mussten wieder einmal Aliens herhalten, um das Thema aufbereiten zu können.

"The Outcast" versucht, den Spieß umzudrehen. Gezeigt wird eine homosexuelle Gesellschaft, in der die Heterosexualität tabuisiert ist. Dabei begeht die Episode aber von vorneherein den schweren Fehler, dass die J'naii gar kein Geschlecht haben. Picard bezeichnet sie bereits im ersten Satz als androgyn. So sind die J'naii keine Gesellschaft von Homosexuellen, vielmehr sind sie geschlechtslos und darüber hinaus auch noch ziemlich verklemmt. Jorans Äußerungen sind zu entnehmen, dass die J'naii während ihrer Sexualität keine Leidenschaft empfinden. Damit zerbröckelt die ganze Ursprungsidee vom Homo-Planeten. Der Rest der Folge macht dann auch keinen Sinn mehr. Einige J'naii entdecken an sich, sich weiblich zu fühlen, andere fühlen sich männlich, und beide "Geschlechter" fühlen sich vom anderen Geschlecht angezogen. Wo ist das Problem? Denn auch die geschlechtslosen J'naii bilden nach wie vor Familien, es sind auch zwei J'naii nötig, um Nachwuchs zu zeugen, Joran erklärt das ausdrücklich. J'naii kuscheln und halten Händchen. Die Episode versäumt zu erwähnen, wo letztlich bei den J'naii der Unterschied sein soll zwischen einer gleichgeschlechtlichen und einer heterosexuellen Beziehung. Was müssen die heterosexuellen J'naii vor ihrer Umwelt verstecken? Und was gibt es zu kurieren? Heterosexuelle Pärchen auf J'naii wären in etwa so auffällig wie ein heterosexuelles Pärchen auf der Erde, bei dem sich die Frau insgeheim für einen Mann hält. Noch schlimmer wird es in der – gut gemeinten – Rede von Soren, als sie vor Gericht steht: "Was ihr alle tut, unterscheidet sich durch nichts, was wir tun. (...) All die schönen Dinge, die ihr miteinander tut, tun wir ebenfalls, genau wir ihr." Das glaube ich gerne. Mit anderen Worten: Wir haben hier zwei gleichgeschlechtliche Wesen, die genau das tun, was andere gleichgeschlechtliche Wesen tun, nur dass sich die eine Seite für eine Frau, die andere Seite für einen Mann hält. Dennoch müssen sich diese "Fehlgearteten" verbergen und verstecken, wenn ihre Neigung publik wird!

Zurück zur ursprünglichen Intention: Ein Planet, der Heterosexualität – die organisch vor langer Zeit eliminiert wurde – ablehnt. Von mir aus, eine nette "Star Trek"-Idee. Ich versuche gnädig zu sein. Angesichts von Serien wie "Six Feet Under" oder gar "Queer as Folk" (einer Serie aus England und den USA, in der es ausschließlich um Homosexuelle geht) und in Zeiten von "Sex and the City" wirkt diese Episode heute natürlich reichlich veraltet und nervös machend antiquiert, und es ist schwer, sich in die damalige Zeit hineinzudenken. Nur: Das Thema Homosexualität war garantiert auch 1992 nicht das große Tabu, wie man es angesichts der bemühten Dialoge von "The Outcast" glauben könnte. Homosexuelle gab es bereits in "Perry Mason" oder in "Das Haus am Eaton Place" (eine zwar englische, aber auch in den USA enorm populäre Serie). "Der Denver Clan" hatte bereits zwölf Jahre vor der Ausstrahlung von "The Outcast" eine homosexuelle Hauptfigur. Ralph Sander meint in seinem Buch "Das Star Trek Universum": "Nach ‚The Host' begab man sich mit 'The Outcast' ein weiteres Mal auf das für TV-Serien nach wie vor gefährliche Terrain der Homosexualität, da es trotz aller bestehenden Toleranz in dieser Sache von einem Großteil der Zuschauer abgelehnt wird." Eine bequeme Entschuldigung, um das Thema zu meiden, nur: "Der Denver Clan" war jahrelang ein Quotenhit und belegte zeitweise sogar Platz 1 der Serien-Charts. Wie riskant kann es dann zwölf Jahre später sein, das Thema anzusprechen? Es fällt mir daher schwer, der Episode Pluspunkte für ihren "Mut" zu geben.

Wird denn wenigstens in der Charakterisierung von Soren eine Arbeit geleistet, die uns die Welt der sexuell Diskriminierten näher bringt? Leider nicht. Soren ist eine jammervolle Gestalt, die sich mit derart klagevoller Miene als heterosexuell outet, dass man ihr nur zu gerne eine psychotektische Therapie spenden möchte, wenn sie dadurch nur glücklicher wird. So kommt es auch, dass es zwischen Riker und Soren gar nicht funken kann, denn von einer hormonellen Sprache ist nichts zu erkennen. Wie auch? Lassen wir uns vom Thema Homosexualität keinen Sand in die Augen streuen. "The Outcast" hat keine Angst vor einem Tabu, "The Outcast" hat Angst vor dem Thema Sexualität. Riker und Soren zerreden die Leidenschaft, anstatt dort zu landen, wo Sexualität nun einmal stattfindet: Im Bett. Bei der Sexualität gibt es kein jammervolles Gelaber. Es sprechen die Hormone, ganz besonders dann, wenn zwei Personen trotz eines sexuellen Tabus zusammenfinden. Doch Soren hat offenbar noch nicht einmal Onkel Doktor gespielt. Sie fragt immer wieder, was denn der Unterschied sei zwischen Männern und Frauen. Sie spricht darüber mit Riker und Dr. Crusher, und beide betonen, dass es außer den Sexualorganen keinen Unterschied gebe, was Soren schließlich zu dem wenig nachzuvollziehenden Geständnis führt: Ich bin eine Frau! Das Drehbuch stammt übrigens auch von einer!

Am Ende wird die Episode aber – ungewollt – interessant: Soren soll von ihrer "Perversion" geheilt werden. Doch leider lässt das Drehbuch gar keine Debatte zu. Sowas kann ja nur falsch sein. Warum eigentlich? Was wäre, wenn Homosexualität "heilbar" wäre? Wäre es moralisch verwerflich, sie zu heilen? Inwieweit bestimmt die Homosexualität den Charakter einer Person? Blöderweise verbaut sich die Folge in ihrem politisch korrekten Gelaber ihre eigenen Argumente. Wenn Frauen und Männer gleich sind, wenn Heterosexuelle und Homosexuelle gleich sind, was spricht dann überhaupt noch gegen eine Therapie, um auf diese Weise eine sozial geächtete sexuelle Orientierung zu beseitigen? Natürlich werden derlei Fragen gar nicht erst aufgegriffen. Das Drehbuch steckt zu sehr fest in vorgefassten Meinungen, die ja lobenswert und tolerant sein mögen, die letztlich aber jegliche interessante Diskussion verhindern. Jeri Taylor ist viel zu sehr bemüht, sich als liberal zu verkaufen, als dass sie überhaupt in Erwägung zieht, den J'naii ein paar Argumente zuzugestehen. Als Krite zu Riker meint, dass auf dieser Welt jeder normal sein wolle, meint Riker nur, Soren sei normal. Juhu, das ist doch mal ein Statement für die nächste Schwulenparade! Blöd nur, dass es völliger Unsinn ist. Homosexualität ist in unserer Gesellschaft so wenig "normal" wie es offenbar die Heterosexualität in der Gesellschaft der J'naii ist. Vielmehr hätte Riker entgegnen müssen, dass es auf die Frage nach der Normalität gar nicht ankommt, und dass sich eine Gesellschaft insbesondere dadurch auszeichnet, wie sie mit der "Ausnahme", dem "Unnormalen", umzugehen pflegt. Es ist nicht des Rätsels Lösung, alles irgendwie Lebendige für "normal" zu erklären, wichtig ist, dass jemand, der in irgendeiner Weise von der Norm abweicht, von der Gesellschaft ebenso akzeptiert wird. Rikers Erwiderung, Soren sei normal, ist insbesondere deshalb problematisch, weil Soren heterosexuell ist. Man könnte Rikers Antwort so deuten, als würde er die Gleichgeschlechtlichkeit der J'naii verurteilen, weil sie auf seinem Planeten das Abnorme verkörpert. Ich räume Jeri Taylor natürlich gerne ein, so weit gar nicht gedacht zu haben, aber genau das ist letztlich mein Vorwurf.

Letztlich ist "The Outcast" ein zweites "Measure of the Men" (dt.: Wem gehört Data?): Die Dialoge gehen am Thema vorbei. Es wird zu viel Zeit mit langweiligen und politisch korrekten Statements über Männer und Frauen verplempert, und die Folge scheitert zudem an der Angst vor der eigenen Courage. Schade. Rückblickend ist die Folge heute nur noch ein Beweis dafür, wie prüde und verklemmt "Star Trek" bei bestimmten Themen war und vielleicht sogar noch ist. Ein zweites "Let That Be Your Last Battlefield" (dt.: Bele jagt Lokai) ist die Folge nicht geworden, auch wenn das wahrscheinlich zu Beginn der Anreiz war.

Bemerkenswertes:

Jeri Taylor erhielt nach dieser Episode viele Beschwerden. Schwule Fans warfen ihr vor, das Ende würde das Verhalten der J'naii rechtfertigen, Fundamentalisten beklagten, man hätte "ihre Seite" nicht berücksichtigt.

Rick Berman meinte: "Ich glaube, wir gaben ein sehr positives Statement über sexuelle Diskriminierung auf eine sehr star-trek-typische Weise, doch wir bekommen noch immer Briefe von Leuten, die meinen, wir hätten uns um das Thema Homoxexualität gedrückt und diese Folge benutzt, um uns aus der Affäre zu ziehen. (Quelle: Nemecek, "The Star Trek The Next Generation Companion")

Details:

Erstmals wird das Gründungsdatum der Föderation genannt: 2161. Michael Okuda hatte das Datum errechnet, weil er davon ausging, dass es nach dem romulanischen Krieg war.

Nitpicking:

Riker verliebt sich ernsthaft in Soren. Soso! Wenn Soren kein auffallendes Geschlecht, insbesondere keine Geschlechtsmerkmale hat, dann frage ich mich, wie das auf Dauer gut gehen soll? Bei aller Romantik, die Liebe ist kein religiöses Gefühl, es geht um körperliche Anziehung. Die Folge verwendet viel Zeit darauf zu erklären, warum Soren sich in Riker verliebt. Doch warum verliebt sich Riker in Soren? Weil sie sich als Frau fühlt? Oder weil Riker auf flachbrüstige Knabengestalten steht?

Es ist mir noch immer nicht klar, wie ich mir die Sache mit den heterosexuellen J'naii vorstellen soll. Soren verliebt sich in Riker, der zweifellos ein Mann ist. Doch wie wäre es auf ihrem Planeten? Die "männlichen" J'naii unterscheiden sich in nichts von den "weiblichen". Sie haben die gleichen Sexualorgane und das gleiche, androgyne Erscheinungsbild. Was genau löst dann die verbotene Leidenschaft aus?

Picard ist verwunderlich gelassen, als Riker mehr als nur andeutet, Soren mit Gewalt befreien zu wollen. Und Riker ist mehr als verantwortungslos, Worf bei diesem Verstoß gegen die Hauptdirektive mitzunehmen.

Zitat:

"You see, Commander, in this world, everyone wants to be normal."
"She is!"
(Krite und Riker)

Star Trek Shop
Top
116: "Ethics"
118: "Cause..."
Letztes Update:
9. August 2004

©2004 Thomas Höhl.