DS9: 114
"Dr. Bashir, I Presume" (Dr. Bashirs Geheimnis)

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Staffel5
113: "By Infer..."
115: "A Simple..."
US-Erstsendung:
22.2.1997

SAT1-Erstsendung:
12.3.1998

Regie:
David Livingston

Drehbuch:
Ronald D. Moore

Story
Jimmy Diggs

Musik:
Dennis McCarthy

Gaststars:
Brian George

als Richard

Max Grodenchik
als Rom

Chase Masterson
als Leeta

Fawda El Guindi
als Amsha

J. Patrick McCormack
als Bennett

Robert Picardo
als Dr. Zimmerman

Inhalt:

CoverDr. Zimmerman, der Erfinder des medizinischen Notfallprogramms, kommt auf die Station. Er arbeitet an einem Langzeit-Holoprogramm, und die Sternenflotte hat Dr. Bashir als Muster ausgewählt. Das bedeutet, daß Zimmerman die nächsten Wochen mit Dr. Bashir zusammenarbeiten wird. Um von Bashir ein psychologisches Profil zu erhalten, will Zimmerman auch Bashirs Freunde und Verwandte befragen.

Als Zimmerman herausfindet, daß Bashir kein gutes Verhältnis zu seinen Eltern hat, läßt er sie sofort auf die Station kommen. Bashir befürchtet, seine Eltern könnten sich verplappern. Dann würde herauskommen, daß Bashir als Kind genetisch aufgebessert wurde. Als Bashirs Eltern Julian am nächsten Tag versichern, daß das Geheimnis bei ihnen in guten Händen sei, ahnen sie nicht, daß sie mit einer Holographie von Bashir reden und Zimmerman alles mit anhört.

Bashir gesteht O'Brien die Wahrheit. Er war als Kind zurückgeblieben. Mit sieben Jahren brachten ihn daher seine Eltern nach Adigeon Prime, wo er sowohl geistig als auch physisch verbessert wurde. Julians Vater nimmt freiwillig die ganze Schuld und eine zweijährige Gefängnisstrafe auf sich. Deswegen wird es Julian Bashir gestattet, in der Sternenflotte zu bleiben.

Rom versucht unterdessen, Leeta seine Liebe zu gestehen, wofür er mehrere Anläufe benötigt.

Kritik:

"Dr. Bashir, I Presume" ist eine der besten Episoden der fünften Staffel. Sie ist witzig, spannend, emotionsgeladen und behandelt ein interessantes Thema, die Genmanipulation. Etwas bedauerlich ist allenfalls, daß Bashirs wochenlange Gefangenschaft in einem Jem'Hadar-Gefängnis mit keiner Silbe angesprochen wurde.

Robert Picardo, der in "Star Trek - Voyager" den offenbar über alle Zweifel erhabenen Holodoc verkörpert, hatte hier eine recht originelle Gastrolle und spielte den griesgrämigen und sarkastischen Zimmerman mit dem von ihm gewohnten Können und Engagement.

Das Thema Genmanipulation ist in der SF nichts Neues. Fast immer versuchen SF-Autoren, die Gefahren der Gentechnik dadurch aufzuzeigen, indem sie den genetisch zurechtgebastelten Supersoldaten oder den an politische Ziele angepaßten treuen Staatsbürger ins Spiel bringen. Da es aber letztlich keinen wissenschaftlichen Fortschritt gibt, der sich nicht auch für negative Ziele verwenden läßt, halte ich das meist für nicht besonders hintergründig. Schon heute werden Soldaten in Diktaturen mit Hilfe von Kenntnissen aus der modernen Psychologie konditioniert, ohne daß deswegen die Psychologie an sich hinterfragt wird.

Hier erhielt das Thema Gen-Manipulation aber eine vollkommen neue Tiefe: Gezeigt wurde eine genetische Veränderung aus Liebe. Das ist viel erschreckender, weil es tatsächlich zu unlösbaren Problemen führt. Bashirs Eltern handeln sehr nachvollziehbar. Sie wollen die Defizite bei ihrem Sohn beseitigen. Sie wollen ihm helfen, da jede als negativ eingestufte Abweichung von der Norm, und sei es nur eine extreme Lernschwäche, durch die Gesellschaft "bestraft" wird. Hier entsteht ein ECHTES Dilemma. Bashirs Eltern kann man gut verstehen. Sie wollten nicht weiter mit ansehen, wie ihr Sohn ständig verzweifelt versucht, mit seinen Klassenkameraden mitzuhalten. Doch nun stehen sie vor dem Resultat, daß Bashir in ihnen nicht mehr seine Eltern, sondern seine "Architekten" sieht, die ihn nicht bedingungslos akzeptierten, sondern ihren Vorstellungen entsprechend zurechtbastelten. "You used to be my father", meint Bashir. "Now, you're my architect; the man who designed a better son, to replace the defective one he was given." (Dt.: Du warst mal mein Vater. Jetzt bist du mein Architekt; der Mann, der einen besseren Sohn entworfen hat, um den mangelhaften, der ihm geschenkt worden war, zu ersetzen.)

Das ist wirklich mal ein erfrischend gehaltvoller Umgang mit diesem interessanten Thema, das auf eine Weise umgesetzt wurde, die einen nicht nur zum Nachdenken brachte, sondern auch die Emotionen ansprach. Das Ende der Episode war grandios gespielt. Als Bashirs Mutter erklärt, daß sie nicht aus Eigennutz, sondern aus Liebe gehandelt hat, war das mehr als ergreifend. Großartig geschrieben war auch der Dialog zwischen Bashir und O'Brien, als Bashir meinte: "The word you are searching for is 'unnatural'. That means: Not from nature. 'Freak' or 'monster' would also be acceptable." (dt.: Das Wort, nach dem du suchst, ist 'unnatürlich'. Das heißt: Nicht von der Natur. 'Freak' oder 'Monster' wäre genauso passend.)

Enttäuschend ist letztlich der doch extrem restriktive Umgang mit den Möglichkeiten der Gentechnik. Damit wurde zwar erklärt, warum man in der Sternenflotte nie genetisch aufgebesserte Personen vorfindet, dennoch halte ich ein striktes Verbot, das mit einem derart alten Vorfall (Eugenische Kriege) begründet wird, für doch etwas zu engstirnig. Nicht jeder, der seine Merkfähigkeit mit Hilfe von Gentechnik verbessert, wird deswegen gleich versuchen, die Weltherrschaft zu erlangen. In der Episode "Statistical Probabilities" (sechste Staffel) wird das Thema noch einmal recht intensiv behandelt, und dort stellt sich dann heraus, daß genetische Veränderungen als Nebeneffekt fast immer schwere psychische Schäden nach sich ziehen.

Das alles soll nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Beginn der Episode im Zusammenhang mit Dr. Lewis Zimmerman und seiner Befragung ausgesprochen komisch war. Besonders Fans des (für die Zuschauer) stummen Barbesuchers Morn erlebten hier einen einmaligen Höhepunkt. Extrem witzig war auch die Szene, als Leeta empört meinte, daß auch sie intelligent sei, worauf Quark nur ironisch erwidert: "Of course. That's why I hired you." (dt.: Deswegen habe ich dich eingestellt.) Nicht weniger komisch war auch die Szene, als O'Brien mit Begeisterung die Fernsteuerung so bedient, daß der holographische Bashir ständig gegen die Wand läuft.

Weniger amüsant, aber auch nicht sonderlich störend war die Nebenhandung um Rom, der sich endlich überwindet, Leeta seine Liebe zu gestehen.

Bashir durchläuft in der letzten Zeit die eigentümlichsten Wandlungen. Erst ist er, ohne daß wir es bemerkten, über mehrere Episoden hinweg ein Wechselbalg, und nun entpuppt er sich als genetisch aufgebessert, wobei es schon etwas schwer zu schlucken ist, daß Bashir sich angeblich die ganzen Jahre über verstellt hat, seine Fähigkeiten verbarg und O'Brien auch immer wieder gewinnen ließ. Ich denke, daß hier die Autoren ein wenig übers Ziel hinausgeschossen sind. Daß Bashirs medizinisches Können auf einer genetischen Aufbesserung basiert, wäre problemlos zu akzeptieren gewesen, daß er aber auch körperlich zu extremen Hochleistungen fähig ist und all die Jahre über O'Brien gewinnen ließ, das geht doch zu weit. Auch paßt die Episode "Distant Voices" (dt.: Ferne Stimmen) nicht so recht in das Konzept, da diese Episode sich sehr intensiv mit der Psyche von Bashir und seinen intimsten Geheimnissen beschäftigte und man bereits damals hätte von Bashirs Genmanipulation erfahren müssen.

Ronald D. Moore hatte als erster die Idee, daß Bashir all die Jahre von seiner genetischen Aufbesserung wußte und sie verschwieg, denn ursprünglich hatte man mit dem Gedanken gespielt, die Geschichte so zu erzählen, daß Bashir erstmals in "Dr. Bashir, I presume" von den Taten seiner Eltern erfuhr. Moore meinte, das sei in Star Trek auch keinesfalls ein Novum, denn auch Riker hatte jahrelang verschwiegen, was auf der Pegasus wirklich passiert war.

Unter den Fans gab es viel Diskussionen darüber, ob die Eugenischen Kriege nun vielleicht offiziell um 200 Jahre in die Zukunft verschoben wurden, weil Admiral Bennett meinte, die Kriege hätten vor 200 Jahren stattgefunden. Da auch in dem Voyager-Zweiteiler "Future's End" (dt.: Vor dem Ende der Zukunft) die Eugenischen Kriege nicht erwähnt wurden, dachten die Fans, die Autoren hätten sich entschlossen, die Star Trek-Geschichte zu korrigieren und den tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen. Doch Ronald D. Moore beteuerte, hier schlicht einen Fehler gemacht zu haben. Khan habe einmal gesagt, er sei vor 200 Jahren ein Prinz gewesen, und deswegen seien die 200 Jahre noch immer in seinem Kopf herumgespukt.

In "Melora" (dt.: Das 'Melora'-Problem) erwähnte Bashir seinen Vater und meinte, er sei ein Diplomat gewesen. Hier ist davon aber keine Rede. Andererseits hatte Bashirs Vater offenbar schon so viele Jobs, daß hier kaum ein Widerspruch zu sehen ist, obwohl eine Karriere vom Diplomat über einen Steward bis hin zum Architekten schon erstaunlich abwechslungsreich ist.

Robert H. Wolfe wurde von den Fans im Usenet immer wieder gefragt, seit wann die genetische Aufbesserung von Bashir geplant gewesen sei. Er meinte: "Schon seit wir damals unseren fünf Jahres-Arc entwarfen... Ihr kauft mir das ab? Ich denke, er war offensichtlich nicht von Anfang an so entworfen." Darauf angesprochen, daß Bashir in all seinen Kämpfen immer recht schnell und meistens erfolgreich gewesen sei, meinte er: "Da! Seht ihr's! Wir hatten das die ganze Zeit geplant! Vom ersten Tag an! Viele Hinweise! Vorausplanung!!! Okay, würdet ihr mir glauben, daß Ron (Moore) ein paar Wochen, bevor wir die Episode drehten, den Einfall hatte? Yeah, dachte ich mir, daß ihr das würdet."

Es ist sehr erfreulich, daß die genetische Aufbesserung von Bashir in der sechsten Staffel von "Star Trek Deep Space Nine" sehr intensiv behandelt wird, nicht nur in der Episode "Statistical Probabilities".

Wie der neue Langzeit-Holodoktor letztlich aussieht, erfahren wir erst in der Voyager-Episode "Message in a Bottle" (vierte Staffel), und dort kommt es dann auch zu einem extrem witzigen Treffen der beiden Hologramme.

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Letztes Update:
18. Mai 1998

©1998 Thomas Höhl.