Der Weltraum. Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2151. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs
Enterprise...
Inhalt:
16.4.2151
90 Jahre sind seit dem
Erstkontakt vergangen, bei dem der Erfinder des Warpantriebs als erster Mensch der Erde außerirdischem
Leben begegnete: Den Vulkaniern. Seit dieser Zeit hat die Menschheit viele Missstände abschaffen können.
Es gibt keine Kriege mehr, keinen Hunger und keine Seuchen. Im Jahr 2151 ist es nun soweit: Die Menschheit kann
nun ihre Energien auf die Erforschung des Alls verwenden. Da stürzt unerwartet in Broken Bow in Oklahoma
ein klingonisches Shuttle auf der Erde ab. Der Pilot wurde von einem verängstigten Farmer niedergeschossen.
Die Sternenflotte möchte den verletzten Klingonen zu seiner Heimatwelt zurückbringen. Doch die Vulkanier
halten diesen Schritt für unlogisch. Warum sollte man viele gefahren auf sich nehmen, um dem Klingonen seinen
ehrenvollen Tod zu verwehren. Also wird die Aufgabe Captain Archer übertragen, der die neue Enterprise NX-01
befehligen soll, ein Schiff, das die sensationelle Geschwindigkeit von Warp 4,5 erreicht. Die Vulkanier geben sich
zufrieden, wenn sie eine vulkanische Überwacherin mitschicken dürfen, die Captain Archer beistehen soll.
Bald hat die Enterprise Kontakt mit den Suliban, die Befehle von einer Rasse aus der Zukunft erhalten. Der Klingone hatte
Informationen über die Suliban. Als die Suliban angreifen, entführen sie den verletzten Klingonen. Archer
möchte aber nicht aufgeben, während T'Pol überzeugt ist, dass Archers Mission ein unrühmliches Ende gefunden hat.
Das vollständige Drehbuch zu "Broken Bow" gibt es hier zum Nachlesen.
Kritik:
Technisch brillant, inhaltlich schwach. Kurzweilig, aber schmalspurig.
Das erste Abenteuer von "Enterprise" gibt sich zunächst einmal nichtssagend. Eine technisch aufgemotzte
Seifenblase: Temporeich, aber fragt man sich, was denn eigentlich das Thema oder die Prämisse der Folge war,
muss man kapitulieren. Die Episode hat kein Thema. Es wird nichts erörtert, das zum Nachdenken oder Spekulieren
einlädt. Beim Pilotfilm der Next Generation konfrontierte Q schon nach zehn Minuten die Crew mit
philosophischen Fragen über die Daseinsberechtigung der Menschheit. Vielleicht sollte Q auch mal bei Rick Berman
und Brannon Braga vorbeisehen und sie ebenso eindringlich nach dem Sinn von "Broken Bow" fragen.
Die nahezu einhellig positiven Worte im Internet - vor allem von Leuten, die "Star Trek: Voyager" sehr kritisch
gegenüberstehen, sind daher besonders verblüffend, und es stellt sich doch die Frage, ob "Star Trek: Voyager"
jemals mit einer so hauchdünnen Geschichte durchgekommen wäre. Doch entweder sind die Anforderungen
an das 22te Jahrhundert nicht so hoch wie an das 24te, oder die Serie "Enterprise" hat etwas, das dem
Science Fiction-Fan im Gegensatz zu "Star Trek: Voyager" gefällt. Dabei dürfte am auffälligsten
die völlige Abwesenheit von Femininität sein. Captain Archer wirkt so humorlos, hart und aggressiv, dass die
Serie allein durch ihn eine sehr maskuline, kriegerische Ausstrahlung erhält. So haben offenbar SF-Serien zu sein,
und wenn schon Frauen, dann bitte so männlich wie Sigourney Weaver in "Alien" oder schwach und
anlehnungsbedürftig wie Hoshi. Genau die Abkehr der kriegerischen, harten und trivialen Science Fiction war das,
was die letzten 14 Jahre "Star Trek" geprägt hatten. Sollte sich das mit "Enterprise" ändern?
Noch nie war eine "Star Trek"-Serie so weit entfernt von dem Feeling und den Qualitäten der
"Next Generation" wie "Enterprise". Wenn man ganz boshaft wäre, würde man die Serie mit
"Hercules im All" vergleichen, natürlich längst nicht so idiotisch wie "Andromeda", aber
immerhin. Verstand sich "Star Trek: Voyager" bereits in erster Linie als Abenteuerserie, setzt "Enterprise"
offensichtlich noch eines drauf, denn mehr als eine Verfolgung im All mit vielen Phasergefechten bietet "Broken Bow"
nicht.
Bleibt die Frage: Wen will "Broken Bow" für das Star-Trek-Universum neu hinzugewinnen? Offenbar
ist es in erster Linie der Phantastik-Fan, der es gerne mal krachen sieht. Genau das ist aber nicht nur aus künstlerischer Sicht,
sondern auch aus profitorientierter Sicht fragwürdig, immerhin mangelt es gerade an der primitiven Haudrauf-SF zur Zeit nicht. Der Quotenerfolg von "Broken Bow" scheint zunächst
zu bestätigen, dass Bermans Taktik richtig ist. Vielleicht bleibt sie das auch. Vielleicht aber werden nach und nach, dafür aber
unaufhaltsam, die Leute abwandern. Der durchschnittliche Zuschauer, der sich für Science Fiction nicht oder nur wenig
interessiert, verfolgte die Next Generation vor allem wegen des zivilisierten Umgangs der Crewmitglieder untereinander, wegen
der originellen Art, Probleme zu lösen, und wegen der Ausgeglichenheit und Weitsicht der Figuren, die auch in
bedrohlichen Situationen einen kühlen und aufgeschlossenen Kopf behalten. "Enterprise" gibt sich im Pilotfilm
als komplette Abkehr von diesen Prinzipien: Captain Archer ist stur, emotional und der vulkanischen Logik gegenüber
ablehnend, und genau dieses Vorgehen erweist sich als richtig und erfolgreich. Besonders fraglich ist, dass sein Aufbegehren
und seine Ablehnung gegenüber anderen Kulturen als Stärke verkauft wird. Die Gegner, die Suliban, die laut Rick
Berman absichtlich dem Wort "Taliban" nachempfunden wurden, sind dagegen witzlose Befehlsempfänger.
Ihre genetischen Spielereien sollen sie dann wohl als Bösewichte kennzeichnen, ohne dass auch nur im Ansatz Motive
erkennbar wären. Sie sind halt nun mal böse, weil Bösewichter das eben sind. Und ihre Lieblingsbeschäftigung
ist eben, typisch bei Bösewichtern im Film, der Befehlsempfang.
Die Charaktere selbst können zumindest in "Broken Bow" noch nicht überzeugen. Archer könnte
sich eine dicke Scheibe von der Gelassenheit eines James T. Kirk abschneiden, mit seinen Vorurteilen und seiner
Aggressivität macht er einen denkbar unsympathischen Eindruck. Vulkanierin T'Pol sollte eine Kreuzung aus
Spock und Seven of Nine werden, bislang bringt sie es allenfalls auf die missratene Tochter von Tuvok. Wo Jeri Ryan
mit einer Augenbrauenbewegung, einem leichten Lächeln oder einem ironischen Blick ihrer Darstellung die gehörige
Portion Ironie verlieh, wirkt T'Pol befremdlich und wenig schlagfertig. Aus ihr könnte noch etwas werden, sie könnte
aber auch ähnlich langweilig werden wie Tuvok. Dr. Phlox erinnert an einen Klon von Neelix unter cardassianischer
Maske, sein Optimismus ist wie bei so manchen Figuren aus dem "Star Trek"-Universum einfach eine Spur zu
dick aufgetragen und wird in künftigen Folgen sicher noch nach unten korrigiert werden.
Der Rest hat vor allem die Attribute jung, fähig, sportlich, mit Sprüchen, wie man sie in einer Serie wie
"J.A.G." erwarten würde. Die knackigen Körper von Tucker und T'Pol werden dann auch in einer
besonders albernen Szene präsentiert, in der die beiden sich gegenseitig mit Dekontamiationsgel einschmieren.
Es erschreckt vor allem die Witzlosigkeit dieser Szene. Man erinnere sich an eine klassische Seven-Szene aus "Star Trek: Voyager", als Seven
zu Harry Kim meint: "Sie wollen kopulieren? Ziehen Sie sich aus!" Das war komisch, und es half, den Charakter
von Seven zu veranschaulichen. Für sie ist die Kopulation nichts Intimes, sondern nur ein biologischer Vorgang.
Doch die Szene mit T'Pol und Tucker hat offenbar allein den Zweck, dem Zuschauer schöne Körper zu
präsentieren, was die Toleranzschwelle für erträgliche unfreiwillige Komik arg strapaziert.
Natürlich hat Star Trek schon früher schöne Körper präsentiert, doch blieb man dabei in der
Regel nicht stecken. Die Szene aber ist letztlich symptomatisch für "Broken Bow": Viel Lärm um nichts,
oder besser: Ein bisschen nackte Haut, das war's. Zum Hercules im All noch eine Prise Baywatch und die abschließende
Frage: Was wäre für ein Aufstand geprobt worden, hätte man bei "Star Trek: Voyager" eine derart
schwachsinnige Szene präsentiert. Doch damals sorgte ja schon Sevens Regenierungsanzug für Proteste: Welche
Ausrede hat eigentlich T'Pol für ihren enganliegenden Dress?
Die technische Seite des Films ist grandios gelöst, und die lebendige Regie von James L. Conway reißt einen mit.
Die Effekte suchen nun wirklich ihresgleichen und stellen so manchen Star-Trek-Kinofilm in den Schatten. Auch die
Eingangssequenz ist trotz eines eher nichtssagenden Songs mit einem sagenhaft schwülstigen Liedtext sehr gut gelungen. Sehr clever wurde das Problem gelöst, die Designstruktur
in der Star-Trek-Geschichte zu bewahren, denn trotz der filmtechnischen Weiterentwicklung wirkt Kirks Enterprise
doch wie ein futuristischer Nachfolger, einfach weil Kirk bereits viel luxuriöser durchs All reiste. Hier erinnert vieles
an ein U-Boot: Eng, klaustrophobisch, unkomfortable... Man kann den kalten Weltraum regelrecht durch die grauen
Wände spüren. Fraglich bleibt nur, ob diese Enterprise mit ihrer kargen Ausstattung und ihrer Beengtheit
zu einem wöchentlichen Besuch einlädt.
Erfreulich sind die Elemente aus der Classic-Serie, die in der neuen Serie vorkommen. T'Pol hat eine ähnliche
"Wundertüte" wie Spock, Archers Sessel lässt sich drehen, und die Kommunikatoren lassen sich
mit einem Piepsgeräusch aufklappen.
Ob es mit dieser Serie gelingen wird, Star Trek zu vitalisieren, bleibt ungewiss. Eigentlich ist es noch nicht einmal
zu wünschen, wenn das "Star Trek"-Universum mit der bewussten Abkehr von einigen
"Star Trek"-Prinzipien gestärkt werden würde. Inwieweit die Serie zeitgemäß ist, bleibt
ebenfalls abzuwarten. Sollte nun wirklich das Zeitalter der Terroranschläge und der Terrorkriege begonnen haben,
wäre die Zeit wohl vielmehr wieder reif gewesen für eine Serie im Stil der "Next Generation", mit
einer friedlichen Botschaft, mit Figuren, deren Handeln von Vernunft, Weitblick und Humanität geprägt ist.
Doch eine solche Serie wäre zur Zeit wohl nicht so populär und ihrer Zeit vielleicht ebenso voraus wie
seinerzeit die Classic-Serie, die ja auch erst in den Wiederholungen der große Erfolg wurde. Hier haben wir eine
sehr amerikanische Serie. Es werden nicht die Werte der Fremden geschätzt, sondern die eigenen - dabei sogar
den gesunden Menschenverstand ignorierend - auf Biegen und Brechen ohne großes Argumentieren verteidigt.
Damit ist dieses Star Trek deutlich patriotischer, im amerikanischen Sinne. Das dürfte zur Zeit offene Türen
einrennen. Von dem Weitblick eines Gene Roddenberrys hat sich die Serie und das "Star Trek"-Universum
aber deutlich entfernt.
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