Inhalt:
Die Enterprise empfängt eine Abgesandte der Sternenflotte, K'Ehleyr, eine Halbklingonin. Sie überbringt die Nachricht, dass die Besatzung eines 75 Jahre alten klingonischen Schiffes bald aus dem Tiefschlaf erwachen wird, und zwar im Föderationsraum. Da die Klingonen jener Ära mit der Föderation verfeindet waren, wäre ein Angriff auf eine nahegelegene Föderationskolonie unabwendbar. K'Ehleyrs Urteil zufolge gibt es nur eine Lösung: Das klingonische Schiff muss angegriffen und zerstört werden, denn seine Besatzung ließe sich nicht davon überzeugen, dass nun Friede herrscht.
K'Ehleyr und Worf haben eine gemeinsame Vergangenheit, und sie wurde seinerzeit von ihm zurückgewiesen. Nach einem Trainigsprogramm auf dem Holodeck schlafen die beiden miteinander. Am nächsten Morgen will Worf die klingonische Tradition ehren und K'Ehleyr heiraten. Sie besteht aber darauf, dass die vergangene Nacht keine Bedeutung hatte. Worf meint, dies sei eine menschliche Einstellung. K'Ehleyr stürmt aus dem Holodeck.
Worf hat eine Idee, wie mit dem Schläferschiff umgegangen werden könnte, ohne es zu zerstören: Er bedient sich menschlicher List und gibt sich als Captain der Enterprise aus. Tatsächlich lässt sich der klingonische Captain von einem gleichgestellten Klingonen davon überzeugen, dass der Krieg vorbei ist und dass er für die Klingonen offenbar gut endete.
K'Ehleyr verlässt nun die Enterprise, um die frisch erwachten Klingonen auf die Assimilierung in einem neuen Jahrhundert vorzubereiten. Während sie sich von Worf verabschiedet, gesteht sie ihm und sich selbst ein, dass ihre gemeinsame Nacht durchaus bedeutungsvoll war aber für den Heiratsschwur sei sie dennoch nicht bereit. Worf bemerkt, er werde ohne K'Ehleyr nie vollständig sein, und beamt sie auf das klingonische Schiff.
Kommentar:
Bei jeder einzelnen meiner letzten drei Rezensionen habe ich mich darüber beklagt, dass die "Next Generation" inzwischen ihren Stil, aber noch nicht ihren Inhalt gefunden habe. "The Measure of a Man" (dt.: Wem gehört Data?) hat ein großes Thema und die Geduld zur Diskussion, aber die vorgebrachten Argumente sind schlicht unsinnig. "Pen Pals" (dt.: Brieffreunde) litt unter demselben Fehler. Und "Manhunt" (dt.: Andere Sterne, andere Sitten) konzentrierte sich auf die Figuren unter Ausschluss einer Handlung, wusste aber letztlich nicht viel mit ihnen anzufangen.
"The Emissary" teilt den Stil der anderen Folgen, überzeugt aber wesentlich mehr. Wiederum gilt unsere Aufmerksamkeit vor allem den Charakteren, während die Handlung im engeren Sinne die Geschichte um das klingonische Schläferschiff vor allem dazu dient, das Zusammenspiel der Charaktere zu begründen und in Gang zu bringen, ohne daran teilzunehmen. Der eigentliche Konflikt der Episode findet nicht zwischen der Enterprise und dem Schläferschiff statt, sondern zwischen den zwei Hälften von K'Ehleyr der menschlichen und der klingonischen. Die Serie tut hier sehr erfolgreich das, was sie noch oft und sehr erfolgreich tun wird: Sie richtet ihr Augenmerk auf das Innere einer ihrer Figuren. Es handelt sich hier um K'Ehleyr, die keine Hauptfigur ist, dafür aber eine Nebenfigur, die zumindest später in der Serie noch lange spürbare Auswirkungen haben wird.
K'Ehleyr fehlt der gesunde Umgang mit ihrer klingonischen Seite; sie hält sie für etwas Ungehöriges, das niemand zu sehen kriegen sollte. Auf die gleiche Weise geht sie mit dem Schläferschiff um: Nach ihrer Einschätzung gibt es keinen vernünftigen Dialog mit den Klingonen, und Gewalt ist unumgänglich; natürlich sagt uns das mehr über K'Ehleyrs Einstellung zu ihrem eigenen inneren Targ als über die Klingonen. Auf diese Weise spiegelt sich K'Ehleyrs Innenleben in der Handlung um das Schläferschiff. Beide teilen das Thema des Konflikts zwischen dem Klingonischen und dem Menschlichen.
Die Geschichte spannt nun erzählerische Bögen für ihre Figuren. Zu Anfang fühlt sich Worf ganz und gar dem Klingonischen verpflichtet und will K'Ehleyr nach einer gemeinsamen Nacht heiraten K'Ehleyr hingegen lehnt alles Klingonische ab, und es folgt deshalb (für sie), dass die Nacht mit Worf keineswegs zur Heirat zwinge, sondern, im Gegenteil, überhaupt keine Bedeutung habe. Beide Figuren müssen anschließend die Mitte zwischen diesen extremen Polen finden. Worf tut dies symbolisch, indem er sich der List bedient, um den Captain des Schläferschiffes davon zu überzeugen, dass er die Föderation nicht angreifen muss. Er beweist dabei Fertigkeiten, die er im Umgang mit den Menschen erlernt hat beispielsweise den Bluff aus dem Pokerspiel, den er im Teaser der Episode als etwas "Unklingonisches" zeichnet. Worf hat eine gesündere Balance zwischen den zwei Kulturen gefunden, denen er angehört. K'Ehleyr muss nun am Ende der Episode einen ähnlichen Schritt machen, auch wenn er subtiler ist: Sie gesteht Worf ein, dass ihre gemeinsame Nacht auch für sie ein Bedeutungsvolles Ereignis war; dennoch bekennt sie sich nicht zum anderen Extrem, der klingonischen Tradition, die eine Heirat verlangen würde. Hier findet also auch K'Ehleyr ein Gleichgewicht. Das wurde für sie erst möglich, als sie aufhörte, die Mitte zwischen zwei Extremen auszuschließen. Es ließe sich auch so formulieren: K'Ehleyr kommt am Ende der Episode davon weg, sich selbst nur dadurch zu definieren, dass sie alles, was Klingonisch ist, ablehnt sie kommt von einer Negativdefinition weg. Um selbst zu einer Positivdefinition zu kommen: Es ist diese Art von Bogen für die Figuren, die mir in "Manhunt" fehlte. Aus diesem Grund ist eine Episode erfolgreich und die andere nicht, obwohl sie, oberflächlich betrachtet, durchaus ähnlich sind.
Lobenswert ist die bereits erwähnte Tatsache, dass die Geschichte von Worf und K'Ehleyr symmetrisch ist zu jener um das Schläferschiff. Hier geht es um Feinde aus einer vergangenen Zeit, die ihre alten Vorstellungen neu überdenken müssen. Sie müssen, wie K'Ehleyr, einen extremen Pol aufgeben. Man erkennt an dieser Gegenüberstellung der "alten" und der "neuen" Klingonen auch, wie viel reifer "The Next Generation" gegenüber älterem "Star Trek" ist. Auch für die Serie gilt nun eine weniger scharfe Trennung von Schwarz und Weiß.
Gut gelungen sind die ersten Minuten der Episode, die K'Ehleyrs riskante Ankunft auf der Enterprise zeigen. Diese Szenen sind eigentlich kein notwendiger Bestandteil der Handlung und könnten geschrieben worden sein, um Zeit zu füllen; jedoch passen sie gut und erzeugen Spannung. Die Inszenierung ist elegant und vermittelt das Gefühl von Dringlichkeit, das die Szene verlangt. Der Beitrag der Musik sei zudem erwähnt. Und apropos Ton: Vier Fünftel von Suzie Plaksons wundervoller Darstellung als K'Ehleyr liegen in der Stimme, es wäre dies also der Zeitpunkt für alle DVD Besitzer, zur Originaltonspur zu wechseln, falls sie es nicht schon längst getan haben.
Bemerkenswertes:
"The Emissary" wird in der vierten Season mit "Reunion" (dt.: Tödliche Nachfolge) fortgesetzt. Die Episode ist damit die erste in einer ganzen Reihe, die sich auf die Klingonen konzentriert. Die Episoden sind auch untereinander verknüpft: "Sins of the Father" (dt.: Die Sünden des Vaters) in der dritten Season stellt uns die Heimat der Klingonen vor, was in "Reunion" zu gleichen Teilen eine Rolle spielen wird wie K'Ehleyr. "Reunion" mündet schließlich in "Redemption" (dt.: Der Kampf umd das klingonische Reich), eine Episode, die auch "Yesterday's Enterprise" (dt.: Die alte Enterprise) mit einbeziehen wird. Schließlich wird Worfs Sohn, der in "Reunion" vorgestellt wird, in der fünften Season öfter zu sehen sein. "The Emissary" setzt also einiges in Bewegung.
Da Worf die Tradition über Sex und Heirat so eng sieht, müssen wir davon ausgehen, dass er bis zu dieser Episode abstinent war, oder dass K'Ehleyr nicht die erste Frau ist, die ihn ablehnt. (Außerdem muss man davon ausgehen, dass sich der durchschnittliche Klingone mit 17 verheiratet! Frühe Heiraten sind zumindest unter menschlichen religiösen Fanatikern das Resultat von Regeln, die vorehelichen Sex verbieten. Aber "Who Watches the Watchers" aus der dritten Season wird mehr über Religion zu sagen haben.)
Suzie Plakson spielte bereits eine vulkanische Ärztin, Dr. Selar, in "The Schizoid Man". Sie wird in "Reunion" zurückkehren. Ausserdem spielt sie in "Star Trek: Voyager" die Rolle von Qs Frau in "The Q and the Grey".
Anne Elizabeth Ramsay spielt hier einen Ensign an der Conn Station auf der Brücke; in "Elementary, Dear Data" (dt.: Sherlock Data Holmes) spielte sie eine Ingenieurin.
Regisseur Cliff Bole hatte die Idee für die klingonische, das heißt blutige Art des Händchenhaltens.
Erstmals seit "Where Silence Has Lease" (dt.: Illusion oder Wirklichkeit?) ist Worfs Trainingsprogramm zu sehen.
Nitpicking:
Weshalb macht die Starfleet zu Beginn der Episode ein so großes Geheimnis um die Mission von K'Ehleyr? Es scheint sich um einen eher plumpen Trick zu handeln, um die Spannung zu heben.
Zitate:
"I am relaxed", sagt Worf, ohne ganz zu überzeugen.
Riker: "How did you like command?"
Worf: "Comfortable chair."
K'Ehleyr: "And you wore it well."
Einschaltquoten (von Martin Seebacher):
Mit einem Rating von 9 Punkten und einem 3. Platz in den Syndication Charts konnte sich die Folge gegenüber der in der Vorwoche minimal verbessern.
Auch in Deutschland waren mit 770 000 wieder mehr Zuschauer an der Next Generation interessiert als in der Vorwoche.
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