Inhalt:
Der Vorgänger der Enterprise-D, die Enterprise-C, gelangt durch einen Riss in der Raumzeit in die Gegenwart der Enterprise-D. Das Verschwinden der Enterprise-C in der Vergangenheit führt dazu, dass sich die Zeitlinie verändert: Die Föderation ist nun in einen Krieg mit den Klingonen verwickelt und steht kurz vor der Kapitulation. Außerdem ist natürlich Worf nicht mehr Teil der Besatzung der Enterprise-D, und Tasha Yar lebt noch. Nur Guinan bemerkt, ohne es genau beschreiben zu können, dass etwas mit der Zeitlinie nicht stimmt.
Es stellt sich heraus, dass die Enterprise-C in einen Kampf mit Romulanern verwickelt war, den sie aufgenommen hatte, um einen klingonischen Außenposten zu verteidigen. Man spekuliert auf der Grundlage von Guinans Aussagen, dass diese mutige Geste eines Föderationsschiffes zum Friedensvertrag mit den Klingonen beigetragen haben könnte, den es in der "korrekten" Zeitlinie gab. Nach einiger Erwägung entschließt sich der Captain der Enterprise-C, in die eigene Zeit zurückzukehren. Sie würde Sekunden nach ihrem Verschwinden dort ankommen und den Kampf mit den Romulanern weiterführen können. Allerdings ist es beinahe sicher, dass die Enterprise-C im Verlauf des Kampfes zerstört wird. Es ist alleine die Geste der Verteidigung, die die Geschichte verändern wird, die Besatzung der Enterprise-C wird sterben.
Tasha Yar, die währenddessen eine enge Freundschaft mit einem Lieutenant der Enterprise-C entwickelt hat, erfährt von Guinan von ihrem sinnlosen Tod in der korrekten Zeitlinie. Sie entschließt sich zum Transfer auf die bedenklich unterbemannte Enterprise-C. Die Enterprise-D bleibt in der Umgebung des Risses, um die Enterprise-C vor drei angreifenden Schiffen der Klingonen zu schützen. Dabei wird die Enterprise-D zerstört doch die Rückkehr der Enterprise-C ist erfolgreich und die korrekte Zeitlinie wird wieder hergestellt.
Kommentar:
"Yesterday's Enterprise" wird oft als eine der besten Episoden der Serie genannt. Dies ist sicherlich nicht verdient und erklärt sich wohl vor allem durch den Umstand, dass diese (durchaus gute) Episode sich äußerlich sehr deutlich von allen anderen abhebt. Sie steht so auch in der Erinnerung hervor: Die Enterprise wird zu einem hektischen, dunklen Ort, und die Figuren werden zu Schlafwandlern, deren Lebenslust offensichtlich längst erdrückt wurde. Es ist weniger eine besonders einfallsreiche oder gehaltvolle Geschichte, es ist diese besondere Atmosphäre, die für mich den Reiz der Episode ausmacht. Der Besuch in diesem "was wäre wenn?"-Szenario macht auch nach zwölf Jahren noch großen Spaß.
Etwas mehr als nur Spaß ist jedoch auch dabei. Es hat damit zu tun, wie in "The Next Generation" die Figuren charakterisiert werden. Es gibt die irrige Vorstellung, dass Charakterisierung die Veränderung der Figur verlangt. Dies gibt es in der Serie auch, aber es sind eher seltene, stückweise Entwicklungen, und sie haben nichts zu tun mit der Methode der Charakterisierung: Dem Beleuchten einer Person. (Oft wird die Veränderung der Situation einer Figur, beispielsweise ein Berufswechsel, als Charakterisierung bezeichnet. Wiederum zu Unrecht, da die Person dadurch nicht näher beleuchtet wird.) "The Next Generation" ist voll von Szenen, die uns die Figuren näher bringen. Die Gesamtheit dieser Szenen vermitteln uns ein Gefühl für die einzelnen Figuren. Wir glauben, sie gut zu kennen. (Spätere "Star Trek" Serien waren darin weniger erfolgreich.) Charakterisierung kann sehr subtil sein und dann nur darin bestehen, wie sich eine Person in einer Situation verhält, wie sie spricht, woran sie als erstes denkt, und so weiter. Doch etwas spezifischer zu "The Next Generation" und dieser Episode: Oft charakterisiert die Serie auch, indem sie uns zeigt, wer oder was eine Figur nicht ist. Der Kontrast und sehen bedeutet kontrastieren sagt etwas über die Figur aus. Dies mag ein Grund sein, weshalb die Figuren der "Next Generation" so oft ihre Identität verlieren und dann wiedergewinnen müssen. Bemerkenswert ist auch die große Zahl von Doppelgängern, die uns in gleicher Weise etwas über die Figuren sagen können. (Beispielsweise Picards Doppelgänger in "Allegiance" (dt.: Versuchskaninchen) später in der dritten Season.)
So auch "Yesterday's Enterprise": Wir sehen unsere vertrauten Figuren, wie sie nicht sind, aber unter anderen Umständen sein könnten. Riker, der Optimist, ist hier ein Zyniker. Picard bewahrt eine Fassade vor der Crew, doch im privaten Gespräch mit Guinan wechselt er vom Flüstern zum Schreien, ohne die Ausgeglichenheit, die sonst sein Merkmal ist. Dieser Mann hat innerlich längst kapituliert und fühlt sich nicht wohl in seiner Haut. Lediglich ganz am Ende der Episode dringt der vertraute Picard einmal durch, als er Hoffnung in der Mission der Enterprise-C sieht. ("Let's make sure history never forgets the name Enterprise" ein Erwachen gewissermaßen, und man sieht es alles auf Patrick Stewarts Gesicht.) Die übliche Harmonie innerhalb der Mannschaft ist hier verloren. In der Konferenz sehen wir eine für die Verhältnisse der Serie quengelnde, streitende Gruppe, die letztlich keinen Konsens findet: Picard muss sich auf seine Autorität als Captain berufen, nahezu unter Protest. Diese vielen feinen Unterschiede bringen uns den vertrauten Figuren näher, obwohl sie nicht in der Szene sind. Tashas Entschluss zu einem "würdigeren" Tod oft erwähnt wird neben so viel Subtilität zur Nebensache. Diese Art des Charakterisierens wird Thema weiterer Kommentare sein.
Etwas, was sich in der alternativen Realität nicht verändert, ist Picards tiefe Verbundenheit mit Guinan. Dies wird hier mehr als je zuvor betont und spielt eine wichtige Rolle in der Handlung: Alleine darauf begründet Picard seinen Entschluss, die Enterprise-C in die Vergangenheit zurück zu schicken. Begründet wird es nie, und so bleibt es auch während des Rests der Serie. (Wir haben in "Time's Arrow" (dt.: Gefahr aus dem 19. Jahrhundert) einen kleinen Einblick in den Anfang der Beziehung.) Geringere Autoren hätten hier vielleicht beflissentlichst die Gelegenheit genutzt, endlich einen Hintergrund für die beiden zu schaffen. Statt dessen sehen wir aber nur ein tiefes Vertrauen, das in sich alleine beeindruckt keine niedliche kleine Anekdote hätte dies erfassen können.
Es ist am Rande bemerkenswert, dass die Crew der Enterprise-D nur widerspenstig den Gedanken annimmt, dass es eine andere (wenn auch bessere) Realität als die eigene geben könnte. Das erscheint mir glaubwürdig und menschlich. Es ist vielleicht ein gelungenes Detail in der Charakterisierung, dass Riker (zynisch, siehe oben) den Gedanken an die bessere Welt am lautstärksten ablehnt: Er, im Gegensatz zu Picard, kennt nicht einmal mehr die geringste Hoffnung.
"Yesterday's Enterprise" hat eine berühmte Entstehungsgeschichte, gemäß der die Autoren lange mit der Geschichte kämpften und schließlich so sehr in Zeitdruck gerieten, dass jeder Akt einem anderen Autor zugeteilt wurde. (Michael Piller war auch einer davon, verzichtete aber auf die Erwähnung in den Credits, da die Writer's Guild offenbar nur vier Namen zulässt.) Man bemerkt diesen Hintergrund vermutlich daran, dass die Geschichte längst nicht den Zusammenhalt hat, der bessere Episoden ausmacht: Tashas Liebesgeschichte trägt letztlich nichts zur Handlung bei und stört höchstens, da es sich um die Art von banaler Liebesgeschichte handelt, bei der sich die Zuschauer fragen, weshalb sie daran teilhaben mussten. Tashas Rückkehr wird später sehr witzig fortgesetzt (siehe "Bemerkenswertes"), aber ihre Rückkehr hier wirkt vor allem wie ein Gimmick. Und Captain Garretts Tod im Anschluss an die Aufmerksamkeit, die ihr zu Beginn der Episode zuteil wurde, ist ebenfalls kurios (oder soll sie Tasha einen sinnlosen Tod demonstrieren?). Doch all das tut der Stimmung und dem Spaß keinen Abbruch, und das sind die Eigenschaften, denen "Yesterday's Enterprise" langlebige Beliebtheit verdankt.
Bemerkenswertes:
Regisseur David Carson führte später beim Kinofilm "Star Trek Generations" Regie. Seine andere Episode in der dritten Season war "The Enemy" (dt.: Auf schmalem Grat). Er führte außerdem zweimal in der fünften Season Regie: "Redemption, Part II" (dt.: Der Kampf um das klingonische Reich, Teil 2) und "The Next Phase" (dt.: So nah und doch so fern). Der häufigste Regisseur von "The Next Generation" ist übrigens Cliff Bole mit 26 Episoden, was einer Season entspricht seine erste Episode war "Lonely Among Us" (dt.: Die geheimnisvolle Kraft). Auf dem zweiten Platz ist Winrich Kolbe mit 16 Episoden, seine erste war "Where Silence Has Lease" (dt.: Illusion oder Wirklichkeit?).
Komponist Dennis McCarthy entwickelt hier sein "Kampfthema", das während der restlichen Serie immer wieder in der einen oder anderen Form zu hören sein wird. Es tauchte auch in "Deep Space Nine" und "Voyager" in ähnlicher Form wieder auf.
Worfs Vorliebe für Pflaumensaft ("a warrior's drink") entsteht in dieser Episode dank Guinan, die ihm das Getränk vorsetzt und ihn anregt, sich weniger vom Rest der Crew zu isolieren. Beides wird fortgesetzt. Aus unerfindlichen Gründen spricht die deutsche Version von Johannisbeersaft.
Tasha Yars Entscheidung in dieser Episode wird eine Fortsetzung haben. In "Redemption", dem viert-season Finale, erfahren wir, dass Tasha eine Gefangene der Romulaner wurde und eine Tochter von einem Romulaner hatte, Sela. Sie wird in der Fortsetzung von "Redemption" erneut vorkommen, außerdem im fünft-season Zweiteiler "Unification" (dt.: Wiedervereinigung?). Yars Tod in der "korrekten" Zeitlinie ist zu sehen in "Skin of Evil" (dt.: Die schwarze Seele).
Worf behauptet, menschliche Frauen seien für ihn zu "zerbrechlich". Guinan hält dem entgegen, einige der Frauen auf dem Schiff würden ihn "zahm" finden; es wäre interessant gewesen, diese Frauen einmal zu sehen! In Season sieben geht Worf eine Beziehung mit Deanna Troi ein, offenbar ist er in der Zwischenzeit etwas sanfter geworden, oder er hat seine Ansprüche geändert. (Oder Deanna mag Seiten haben, von denen wir nichts wissen.) In "Deep Space Nine" wird später eine nahezu sadomasochistische Beziehung mit Jadzia Dax angedeutet, so beispielsweise in "Looking for Par'Mach in All the Wrong Places" in der fünften Season (dt.: Gefährliche Liebschaften).
Riker erwähnt gegen Ende der Episode, die Klingonen sollten weniger zuversichtlich sein angesichts des schweren Schlages, den sie nahe "Archer IV" erleiden mussten. Es ist natürlich verlockend zu denken, dass dies ein Planet ist, der nach Captain Archer aus der neuen "Enterprise" Serie benannt wurde.
Es ist ein Merkmal der "Next Generation", dass die fiktive Technik immer ein wenig realer wirkt als in den anderen Serien und damit wirkt das Universum realer. Tasha erwähnt hier beispielsweise den Fortschritt der Deflektoren im Krieg, speziell die verbesserte "heat dissipation rate", also die Geschwindigkeit, mit der das Schiff Wärme abgeben kann. Es ist clever, dies als einen der einschränkenden Faktoren in einem Gefecht zu erkennen: Wenn die Systeme der Enterprise mehr Wärme produzieren, als abgestrahlt werden kann, dann überhitzen sie; und sämtliche Systeme werden Hitze produzieren, da sich Energie nicht verlustlos von einer Form in eine andere umwandeln lässt. Wer auch immer dies beigetragen hat, verstand also etwas von Physik. Es sind Kleinigkeiten wie diese, die den Eindruck vermitteln, die Figuren wüssten tatsächlich, wovon sie sprechen.
Diese Episode hält fest, dass es weniger als 22 Jahre her ist, seit die Föderation einen Frieden mit den Klingonen geschlossen hat. Wir erfahren in "Sarek" später in der Season, dass Spocks Vater Sarek daran beteiligt war; ebenso erfuhren wir in "Loud as a Whisper" (dt.: Der stumme Vermittler), dass der Vermittler Riva eine Rolle spielte. Riva erschien mir immer sehr jung, da ich diese Friedensverträge kurz nach Kirks Zeit erwartet hätte. Nun ist es aber klar, dass Riva zu jener Zeit ein junger Mann zwischen zwanzig und dreißig Jahren gewesen wäre.
In dieser Episode kommt das neue, kleinere Modell der Enterprise-D, das in der dritten Season gebaut wurde, sehr gut zur Geltung.
Bis zum Zeitpunkt dieser Episode hat der Krieg mit den Klingonen laut Guinan vierzig Milliarden Leben gekostet sechsmal die derzeitige Bevölkerung der Erde. Vermutlich meint Guinan aber den Verlust an Leben auf beiden Seiten.
"Gimmick" ist ein "deutsches" Fremdwort, ja!
Nitpicking:
In der letzten Szene mit Geordi und Guinan in Zehn Vorne trägt Geordi die Uniform aus dem Paralleluniversum, obwohl die normale Zeitlinie eigentlich wieder hergestellt wurde. (Ein erstaunlich plumper Fehler.)
Die Enterprise-C fliegt durch eine zufällig entstandene Anomalie, die sie an einen Ort und in eine Zeit bringt, wo sie gerade auf die Enterprise-D trifft? Das ist ein sehr, sehr, sehr, sehr (sehr!) großer Zufall.
Mehr zu diesem Riss in der Raumzeit: Data sagt, der Riss sei symmetrisch. Dann erklärt er, die Enterprise-C würde, falls sie von der Gegenwart zurück in die Vergangenheit fliege, ungefähr zum Zeitpunkt ihrer Abreise zurückkehren. Ist das symmetrisch? Symmetrisch wäre die Anomalie doch dann, wenn an beiden Enden gleich viel Zeit vergehen würde. (Die Enterprise-C würde dann so viele Stunden nach ihrer Abreise in die Vergangenheit zurück gelangen, wie sie in der Gegenwart verbracht hatte.)
Eine Fernsehproduktion unterliegt natürlich gewissen Grenzen. Es wäre jedoch anzunehmen, dass in einem echten Kriegsszenario mehr verändert wäre, als diese Episode darstellt. Beispielsweise die Größe der Enterprise-D erscheint einem falsch es ist ein Schiff für die langjährige Forschungsreise, nicht für den Kriegsfall. Eine Voyager würde hier gut passen. Dennoch ist natürlich die Achtsamkeit auf das Detail groß, mir gefallen vor allem die strengeren Uniformen, die Verwandlung von "captain's log" zu "military log" und "stardate" zu "battle date", ebenso Picards allein stehender, autoritärer wirkender Stuhl auf der Brücke.
Zitate:
Picard: "Who is to say that this history is any less proper than the other?"
Guinan: "I suppose I am."
Picard: "Not good enough, damn it, not good enough!"
"We've known each other a long time. You have never known me to impose myself on anyone, or take a stance based on trivial or whimsical perceptions. This timeline must not be allowed to continue. Now, I've told you what you must do. You have only your trust in me to help you decide to do it." (Guinan)
"The war is going very badly for the Federation. Far worse than is generally known. Starfleet command believes that defeat is inevitable. Within six months, we may have no choice but to surrender. … One more ship will make no difference in the here and now. But twenty-two years ago one ship could have stopped this war before it started." (Picard)
Tasha: "I wish we had more time."
Castillo (das heisst, Richard): "More time? I think we have all the time we can handle as it is."
Ein Klassiker: "Attention all hands. As you know we could outrun the Klingon vessels. But we must protect the Enterprise C until she enters the temporal rift. And we must succeed. Let's make sure that history never forgets the name Enterprise. Picard out."
Einschaltquoten (von Martin Seebacher):
In den US-Syndication Charts war die Folge mit einem sehr guten 11.9 Rating bei einem 3. Platz vetreten.
Im ZDF waren bei der Erstausstrahlung 1,19 Millionen Zuschauer dabei, in Sat.1 (1.2.1994) dagegen 1,68 Mio. bei 18,9% Marktanteil.
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