Star Trek - The Next Generation: 82
"Future Imperfect" (Gedächtnisverlust)

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Staffel4
81: "Reunion"
83: "Final..."
US-Erstsendung:
10.11.1990

ZDF-Erstsendung:
25.8.1993

Regie:
Les Landau

Drehbuch:
J. Larry Carroll and
David Bennett Carren

Gaststars:
Andreas Katsulas
als Botschafter Tomalak

Chris Demetral
als Jean Luc/Ethan

Carolyn McCormick
als Minuet

Patti Yasutake
als Schwester Ogawa

Todd Merrill
als Ensign Gleason

April Grace
als Transporterchef Hubbell

George O'Hanlon jr.
als Transporterchef

Dana Tjowander
als Barash

Inhalt:

SzenenbildWährend einer Außenmission auf einem Planeten nahe der neutralen Zone verliert Riker das Bewusstsein. Als er wieder aufwacht, ist er 15 Jahre älter und findet sich auf einer Enterprise der Zukunft wieder – als Captain. Ihm wird erklärt, ein Retrovirus habe ihm die letzten 15 Jahre aus seiner Erinnerung gelöscht. Dies geschah zu einem unglücklichen Zeitpunkt, da er offenbar eine zentrale Rolle zu spielen hat im Abschluss eines Friedensvertrags mit den Romulanern. Zu diesem Anlass kommen Admiral Picard und der romulanische Botschafter Tomalak auf das Schiff. All die Neuerungen geben Riker kaum Zeit, um mit der größten aller Überraschungen umzugehen: Er hat einen Sohn. Doch bald bemerkt Riker, dass gewisse Details nicht stimmen. Allem voran war seine angeblich verstorbene Ehefrau, Minuet, in Wahrheit lediglich eine sehr realistisch simulierte Person auf dem Holodeck. Ihm wird klar, dass er sich in einer aufwendigen Simulation befindet.

Riker konfrontiert auf der Brücke sämtliche Schauspieler der Scharade, woraufhin alle verschwinden, abgesehen von Tomalak. Riker erfährt nun, dass er in einer Simulation der Romulaner war, die Informationen über einen Außenposten der Föderation aus ihm heraus tricksen wollten. Riker wird in eine Gefängniszelle gebracht, wo er Ethan trifft, nach dessen Abbild sein Sohn in der Simulation der Zukunft gestaltet worden war. Ethan möchte mit Riker fliehen. Doch Ethans Geschichte geht auch nicht ganz auf, und nach kurzer Zeit bemerkt Riker, dass er sich noch immer in einer Simulation befindet. Daraufhin stellt sich heraus, dass Ethan, dessen richtiger Name Barash ist, der Veranstalter der ganzen Verwirrspiele war. Er hatte sowohl die Zukunft auf der Enterprise wie auch die Romulaner simuliert, und zwar einfach deshalb, weil er einsam war und ein Szenario schaffen wollte, in dem ihm Riker Gesellschaft leisten würde. Barashs Eltern waren verfolgt und getötet worden – sie ließen ihn kurz zuvor auf dem Planeten zurück, betreut von hochstehenden Geräten, die ihm alle seine Wünsche erfüllen, jedoch keine Gesellschaft leisten konnten. Riker nimmt Barash, ein Insektenwesen, mit auf die Enterprise.

Kommentar:

"Future Imperfect" ist eine im höchsten Maße vergnügliche Episode, gewürzt mit mehr als nur einer Prise der "Twilight Zone". Sie ist kurzweilig und lebt vom verspielten Umgang mit dem Serienuniversum, so zum Beispiel dem Rückgriff auf Rikers Holodeckprogramm (und die Figur Minuet) aus der einmalig betitelten Episode "11001001" oder auf Rikers Konflikt mit seinem Vater aus "The Icarus Factor" (dt.: Rikers Vater). Besonders gelungen (um nicht zu sagen genial) ist der Kniff, dass Rikers Erinnerung an Minuet zu lebendig ist, als dass Barashs Gedächtnissonden sie als Simulation erkennen könnten. Er baut sie deshalb als reale Figur in der Simulation ein, was Riker den definitiven Hinweis darauf gibt, dass er sich nicht in der Realität befindet. Es ist leicht, den Einfallsreichtum dahinter zu übersehen, wenn man die Episode nach zehn Jahren das vierte Mal sieht. Wenn man die Episode noch nicht kennt, so ist auch die Rückkehr von Andreas Katsulas als Tomalak eine hervorragende Ablenkung, die einen sehr plausibel eine Weile glauben lässt, die Romulaner hätten ihre Hände im Spiel. Am Ende stellt sich natürlich heraus, dass die ganze Charade nur von einer einzigen Person veranstaltet wurde, weil sie einsam ist und Gesellschaft sucht. Die Serie streift damit erneut eines ihrer Hauptthemen: die Suche nach einer Platz in einer Gemeinschaft. (Siehe dazu "Déjà Q", dt.: Noch einmal Q, und "Hollow Pursuits", dt.: Der schüchterne Reginald.)

In meinem Kommentar zu "Family" bezeichnete ich dies als eine "Abenteuerepisode", was mir nach wie vor korrekt erscheint. Dennoch wird auch diese Episode sehr persönlich gehalten: Obwohl wir es mit einem phantastischen Szenario zu tun haben, ist es eine geerdete, emotional glaubwürdige Episode über Riker, der versucht, eine Verbindung zu seinem Sohn aufzubauen – und der dabei gleichzeitig seine eigenen Vorbehalte gegenüber der Vaterschaft ansprechen muss. Riker wird hier auch sehr gut getroffen, er ist in keiner Weise eine austauschbare Figur in der Geschichte. (Praktisch jede Szene müsste anders ablaufen, wenn eine andere Person anstelle von Riker entführt worden wäre, beispielsweise Geordi, Picard oder Troi.) Dies zeigt uns, dass sowohl Jonathan Frakes wie auch die Autoren bis dahin ein gutes Gefühl für die Figur entwickelt hatten. Im Vergleich fällt auch auf, wie leblos der simulierte Picard oder die simulierte Troi wirken – ich bin nicht sicher, ob dieser Kontrast zwei Seasons früher genau so deutlich gewesen wäre. Wie ich im Kommentar zu "Evolution" (dt.: Die Macht der Naniten) vermutete, profitieren indirekt eben alle Episoden, auch die weniger charakterbetonten, von gut gezeichneten, dreidimensionalen Figuren.

Bemerkenswertes:

Der Titel ist eine Anspielung auf Grammatik, aber es gibt in Wahrheit keine Zeitform des Namens "future imperfect".

Wer in dieser Episode einen Hauch der "Twilight Zone" spürt, liegt richtig: Einer der Autoren (Carren) schrieb eine Zeit lang für die 1980er Version dieser Serie (die ich im Gegensatz zu Rod Serlings Original nicht kenne), und Michael Piller ist ein bekennender Fan von Serlings Serie.

Diese Episode markiert den ersten Auftritt von Patti Yasutake, die während des Rests der Serie die Krankenschwester Ogawa spielen wird.

Die Episode enthält erstaunlich viele Anspielungen auf "11001001" aus der ersten Season: Rikers Posaune und die (offenbar ein wenig gefährliche) Mannschaftssportart "Parrises Squares", die frei erfunden ist, soweit ich weiß. Außerdem natürlich Minuet (erneut von der gleichen Darstellerin gespielt), die von den Binären, einem Volk von Informatikgenies, als Ablenkung für Riker programmiert wurde und deshalb möglichst real sein musste. (Wie gesagt, der Rückgriff ist ein genialer Einfall der Autoren, und ein ausgezeichnetes Beispiel für die oft subtile Kontinuität innerhalb der Serie.)

Rikers Vorliebe fürs Fischen kennen wir seit "The Icarus Factor" (dt.: Rikers Vater). Auf diese misslungene zweit-season Episode spielt letztlich auch das Gespräch zwischen Riker und seinem angeblichen Sohn im Turbolift an: Riker möchte die Fehler des eigenen Vaters nicht wiederholen.

Der Romulaner Tomalak ist ein drittes Mal zu sehen nach "The Enemy" (dt.: Auf Messers Scheide) und "The Defector" (dt.: Der Überläufer). Er wird noch einmal zu sehen sein (dann allerdings erneut nur auf einem Bildschirm) im Finale der Serie, "All Good Things...". Tomalak wird von Andreas Katsulas gespielt, bekannt als G'Kar in "Babylon 5" und natürlich als einarmiger Mann in der Kinofassung von "The Fugitive" (dt.: "Auf der Flucht") mit Harrison Ford.

Die Kommunikatoren aus dieser erfundenen Zukunft werden in der siebten Season in "Parallels" (dt.: Parallelen) nochmals zu sehen sein; der ziegenbärtige Picard zum Glück nicht. Die gealterte, grauhaarige Troi muss sich hingegen nicht verstecken.

Nitpicking:

Ein rarer Fehler: Ein Mikrofonschatten ist kurz zu sehen, und zwar in der Szene, als Riker gerade in die Gefängniszelle zu "Ethan" gebracht wurde und mit ihm zu sprechen beginnt.

Picard meint am Ende zu Riker, Geordi und Worf seien in Sicherheit, man habe sie vor einer Stunde hochgebeamt. Das ist zumindest verwirrend: Riker hat vermutlich mindestens einen Tag in Barashs Simulation verbracht, immerhin findet er es einmal ungewöhnlich, dass eine Computerdiagnose 30 Stunden dauern würde. Was geschah also mit Geordi und Worf, während Riker in der Simulation war?

Gates McFadden ist bereits bekannt als die Schauspielerin, die in der dritten Season aus einem "Ribosom" ein "Rimosom" machte. Sie scheint sich hier weiter mit der Sprache abzumühen. Als Riker gerade erst aufgewacht ist und mit ihr zur Brücke geht, sagt sie, ein "processing attenuator" des Computers sei defekt. Später heilt sie einen Knochen von "Jean-Luc" und spricht zu Ogawa von einem "pressure antenuator", aber gemeint wäre wohl ein zweites Mal ein "attenuator", ein "Dämpfer". Die Phantasielosigkeit der Begriffe ist übrigens durchaus passend, da Barash vermutlich kein Experte des Technobabbles wäre – und offenbar kann er aus Rikers Gedächtnis nicht mit beliebiger Geschwindigkeit realistische Begriffe herausholen.

Dies ist ein Detail, aber Beverly erklärt, das Virus habe in Rikers Gehirn die Konsolidierung seiner Erinnerungen gestört. Jedoch behauptet sie auch, das Virus sei 15 Jahre latent (inaktiv) gewesen. In dem Fall müsste es die Erinnerungen zerstört haben, denn unter der Konsolidierung von Erinnerungen versteht man den Übergang vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis – und dieser Vorgang muss (per Definition) kurz nach dem Erwerb der Erinnerungen stattfinden, also bevor das Virus wieder aktiv wurde. Nichtsdestotrotz, "Konsolidierung" ist ein gutes Wort, des Technobabbles (oder in diesem Fall wohl eher des Biobabbles) würdig.

In 15 Jahren wurde auf der Enterprise kaum eine Konsole verändert (der Transporterraum blieb beispielsweise genau gleich), aber sämtliche Wände wurden mit einem schnittigen neuen Anstrich versehen – hélas, die Grenzen des Fernsehbudgets! (Wenigstens war es eine erfundene Zukunft, wir können also einfach Barash – oder vielleicht Rikers Gehirn? – Phantasiearmut unterstellen.)

Jesses: Das Insektenkostüm.

Als Riker erwacht, teilt ihm Dr. Crusher mit, er habe zehn Tage im Koma gelegen. Wieso trägt er nach zehn Tagen noch immer seine Uniform. (Wobei der Fehler freilich Barash anzulasten ist.)

Krankenschwester Ogawa – die hier allerdings noch keinen Namen hat – ist in der erfunden Zukunft nicht gealtert. Das lässt sich natürlich leicht erklären: Dies war Patti Yasutakes erste Episode, und man wusste noch nicht, dass sie regelmäßig in der Rolle zu sehen sein würde. Als es dann dazu kam, konnte man sie schwerlich um fünfzehn Jahre verjüngen.

Zitate:

Michael Piller: "Es scheint, dass Ideen in Wellen auftauchen. Aus irgendeinem Grund kam jeder mit irgendeiner Geschichte über Gedächtnisverlust an. Wir haben allein drei davon gemacht und eine für nächstes Jahr verwahrt. [Vermutlich "Clues" (dt.: Beweise) und "Remember Me" (dt.: Das Experiment), in der fünften Season dann "Conundrum" (dt.: Mission ohne Gedächtnis).] "Future Imperfect" war eine der besseren Gedächtnisverlustgeschichten. Dann kam alle Welt mit Geschichten über Kinder. Wir hatten mehr Kinder in den letzten zwölf Folgen als die ganze Zeit vorher. Die einzige Geschichte, die noch nicht kam, war die über ein Kind mit Gedächtnisverlust. Das wurde hier zum sehr beliebten Scherz." (Aus Gross, Altman: "Captains' Logs", deutsche Ausgabe.)

Einschaltquoten:

In den amerikanischen Syndication Charts war die Folge mit einem dritten Platz bei einem Rating von 12 Punkten vertreten.

In Deutschland erreichte das ZDF mit der Episode 1,27 Mio. Zuschauer. Bei der ersten Sat.1 Ausstrahlung (28.02.94) waren dann 1,7 Mio. Zuschauer bei einem Marktanteil von ausgezeichneten 19,3% dabei.

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Letztes Update:
2. Dezember 2002

©2002 Rafael Scholl.