Star Trek - The Next Generation: 102
"Darmok" (Darmok)

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Staffel5
101: "Redem..."
103: "Ensign Ro"
US-Erstsendung:
30.9.1991

SAT1-Erstsendung:
29.3.1994

Regie:
Winrich Kolbe

Drehbuch:
Joe Menosky

Story:
Philip Lazebnik and
Joe Menosky

Gaststars:
Richard James
als tamarianischer erster Offizier

Colm Meaney
als O'Brien

Paul Winfield
als Captain Dathon

Ashley Judd
als Ensign Robin Lefler

Inhalt:

SzenenbildDie Enterprise folgt einem Ruf ins unbewohnte El-Adrel System, wo ein Schiff der Tamarianer bereits wartet. Niemandem der Föderation gelang es bisher, sich mit dieser geheimnisvollen Spezies zu verständigen. Picard wird einen weiteren Versuch unternehmen. Das Vorhaben bleibt vorerst erfolglos, doch dann beamen die Tamarianer ihren eigenen Captain sowie Picard auf den nahegelegenen Planeten: dort müssen die zwei einem gefährlichen Biest begegnen. Dabei lernen sie zwangsläufig, sich zu verständigen. Picard erkennt, dass die Tamarianer in Metaphern sprechen, und er lernt ein rudimentäres Vokabular. Der Tamarianer stirbt schließlich aufgrund der Wunden, die ihm das Biest zufügte, doch Picard kann auf die Enterprise zurückkehren und den sprachlichen Erstkontakt mit den Tamarianern aufnehmen.

Kommentar:

Season Fünf

"Darmok" ist eine brillante Episode, vielleicht die beste der nahezu einhundertachtzig. Sie erzählt elegant und kraftvoll und fußt auf einer originellen Prämisse, aus der sich die ganze Handlung konsequent ableitet; sie verkörpert auch einige der interessantesten und wichtigsten Themen der "Next Generation". Besonders eindrücklich ist die Stimmung der Episode, was früh in der fünften Season ein Zeichen setzt: Atmosphäre wird nun immer betonter, gesellt sich zu den bereits zuvor etablierten Qualitäten der Serie und macht aus ihr endlich genau das, was viele von uns in so warmer (wenn auch vielleicht nostalgisch verzückter) Erinnerung haben. Aber die fünfte Season war für die Serie nicht nur deshalb wichtig, weil sie dieses letzte der – zumindest für mich – definierenden Elemente verankerte. (Nachdem uns die dritte Season den Fokus auf die Figuren brachte, die vierte zusätzlich noch reichhaltigere und vielfältigere Themen sowie die Ausdehnung des Serienuniversums. Aber siehe "Evolution", dt.: Die Macht der Naniten, und "Family", dt.: Familienbegegnung.) Es war auch ein Jahr von großer Produktivität für die Autoren, die mit ihrer Serie leichtfüßiger als zuvor zu spielen wussten. Das Resultat war eine unterhaltsame Häufung von definierenden Klassikern und gelungenen Experimenten, wie sie selbst die exzellente vierte Season nicht bieten konnte.

Thematik

Die dominanten Themen der "Next Generation" sind immer wieder Gemeinschaft und Konfliktlösung – an sich bereits zwei verwandte Themen. Es geht um den Platz des Einzelnen in der Gruppe, und ein fundamentaler Bestandteil des "Star Trek" Universums ist die Existenz einer übergreifenden Gemeinschaft, der Föderation, die in konfliktfreier (oder –armer) Harmonie lebt. Verständigung und Sprache werden die Serie hindurch betont: Einerseits philosophisch als Lebensblut der Gemeinschaft und der Konfliktlösung, aber auch unmittelbar als erdzählerisches Werkzeug. Einige der besten Szenen der Serie imponieren sprachlich. Die Autoren haben ein Gefühl für Rhythmus und Eleganz des gesprochenen Wortes (ein subjektives Urteil meinerseits, aber ein weitläufig geteiltes). Patrick Stewart, der klassisch geschulte Theaterschauspieler, glänzte in dieser Serie nicht einfach deshalb, weil er so gut ist: Vor allem erhielt er von den Autoren auch das Material, um seine Talente – besonders seine oratorischen Talente – einzusetzen.

"Darmok" spielt mit den Themen. Es ist eine Episode über Verständigung und Sprache, Konflikt und Gemeinschaft. Der Captain der Aliens in dieser Episode, Dathon, misst seinem eigenem Leben weniger Bedeutung zu als der Gemeinschaft seines Volkes mit der Föderation (eine Thematik, der sich die Autoren wohl bewusst waren: Sie wird nahezu in diesen Worten in der Episode erwähnt). Gemeinschaft wird hier nicht zum Selbstzweck angestrebt, sondern als Mittel, um Konflikt zu verhindern. Die Episode bleibt nicht bei Binsenwahrheiten stehen: "Gemeinschaft ist gut, Konflikt ist schlecht, man muss miteinander reden." Vielmehr ist sie ein Kommentar zur Frage, was Verständigung ist und unter welchen Umständen es überhaupt dazu kommen kann. Es stellt sich während der Episode heraus, dass die Sprache der Aliens vollkommen in ihrem kulturellen Hintergrund eingebettet ist. Dies und der Rest der Episoden laufen auf die Aussage hinaus, dass Kommunikation in einem Kontext stattfindet. Picard meint zu Beginn, nach seiner Erfahrung sei Verständigung einer Frage von Einfallsreichtum und Geduld. Die Episode macht es sich zur Aufgabe, dies nicht zu überwerfen, aber als ungenügend darzustellen und zu erweitern. Denn Picards Gegenspieler Dathon weiß zu Anfang mehr über Verständigung als Picard: Er sieht die Notwendigkeit von Kontext und Kultur, von gemeinsamen Zielen und Erlebnissen. Er schafft für sich und Picard einen Mikrokosmos, in dem diese Bedingungen der Verständigung erfüllt sind. (Vermutlich wäre es ohne Lebensgefahr möglich gewesen, aber gestehen wir der Episode eine gewisse erzählerische Freiheit zu – oder, um den Geist der Episode zu würdigen, erlauben wir ihr die ausgedehnte Metapher.) Damit kommentiert die Episode – subtil, aber ohne dass man etwas hineinlesen müsste – eines der gewichtigsten Themen der Serie und zeigt auf, wie Verständigung, Gemeinschaft und Konfliktlösung verbunden sind. (Interessanterweise ist Konfliktlösung in dieser Episode besser als die Abwesenheit von Konflikt a priori: Es ist im Vorgang des gemeinsamen Konfliktlösens, dass Picard und Dathon zur Verständigung und schließlich zur Gemeinschaft gelangen. Oder gelangen sie zuerst zur Gemeinschaft, dann zur Verständigung? Dies würde dem endlos optimistischen Blickpunkt der Serie entsprechen: Gemeinschaft würde die Verständigung fördern, Verständigung wiederum die Gemeinschaft.)

Und neben der reichlich abstrakten sprachlichen Thematik beeindruckt hier, wie erwähnt, die schiere Freude am gesprochenen Wort, die diese Episode – nicht als einzige, aber im Besonderen – zu vermitteln vermag. Sprache geht über den Inhalt hinaus, was nie deutlicher wird als in den ausgedehnten Passagen dieser Episode, in denen im Prinzip in einer unverstehbaren Sprache gesprochen wird: Sie verlieren dadurch wenig an emotionaler Resonanz. Darüber hinaus beflügelt der Gedanke einer Sprache, die auf Metaphern fußt, die Fantasie ganz ungemein: Hätte so eine Sprache Vorteile gegenüber unserer, und gäbe es vielleicht Unsagbares? Und wie leicht es doch ist, die Originalität der Idee zu übersehen, weil sie uns über die Jahre – uns, den Fans – so vertraut geworden ist.

Die Prämisse: Disziplinierter Einfallsreichtum

Die beste Thematik bleibt witzlos ohne Erzählung, und hier brilliert "Darmok" ein zweites Mal. Die Episode fußt, wie erwähnt, auf einer cleveren Prämisse, in der auch die oben besprochene Thematik eingebunden ist: Eine fremde Sprache bleibt unverstanden und verunmöglicht den Erstkontakt, bis dass Picard die Metapher als Grundlage dieser Sprache erkennt. Aus der Prämisse entwickelt sich die ganze Handlung. Wir sehen nun nicht eine austauschbare Geschichte um eine clevere Idee herum konstruiert (so wie beispielsweise in "Galaxy's Child" der vierten Season, um nur ein zufälliges Beispiel zu wählen, dt.: Die Begegnung im Weltraum). Nein: Die ganze Handlung ergibt sich aus der Prämisse, einschließlich der Auflösung. Der clevere Gedanke hinter der Episode bildet das Rückgrat, nicht die Dekoration der Handlung. Das heißt nicht, dass sich diese Episode auf Autopilot schreibt: Ganz im Gegenteil bedeutet es, dass die Autoren ihr Handwerk so gut beherrschten, um ihre Erzählung von Anfang bis Ende aus der Prämisse entstehen zu lassen – um überhaupt zu erkennen, was die tieferen Themen der Geschichte sind. Es ist neben der Inspiration auch eine Frage von diszipliniertem Einfallsreichtum: Man muss die Idee durchdenken und erkennen, welches ihre natürlichen Ansprüche sind. Dass die Verständigung von Picard und Dathon den Konflikt der Raumschiffe in der Umlaufbahn löst, beispielsweise. (Die Sichtweise der Serie seit jeher: Kommunikation statt Krach.) Oder – weniger offensichtlich – dass die Anstrengungen von Picards Crew, ihren Captain zurück zu holen, früher oder später dem Wünschen der Zuschauer – und den Wünschen Picards – zuwider laufen müssen. (Ich denke an die grandiose Sequenz, als Picard, gefangen im Transporterbeam, bei Dathons Niederlage hilflos zuschaut.) Stimmige Episoden sind letztlich ein wenig wie Atmung, um eine vielleicht inzwischen etwas abgedroschenes Analogie zu verwenden: Viele geniale Einfälle bleiben unerkannt oder zumindest unbewusst, weil sie so gut funktionieren. Warum beispielsweise erzählt Picard am Ende der Episode eine Version der Geschichte von Gilgamesh, einer der ältesten überlieferten Geschichten? Einerseits bringt es die Handlung thematisch zu ihrem Ende: Picard erkennt, dass Dathons Metapher Ähnlichkeit hat mit einer unserer eigenen. Wenn wir die fremde Sprache der Episode auch als fremde Denkweise akzeptieren, dann ist dies der Moment, als Picard erstmals einen tamarianischen Gedanken vollständig versteht und in menschliche Begriffe fasst. Aber es ist andererseits auch der Moment in der Episode, in der die humanistische Tradition der Serie durchbricht, wir uns auf Menschen und ihre Geschichte konzentrieren und erkennen, dass die Aliens wieder einmal nur eine menschliche Eigenschaft – das Denken in Metaphern – isoliert und betont darstellen. Sie sind damit vergleichbar mit den aggressiven Klingonen oder den berechnenden Romulanern: "Darmok" ist originell innerhalb einer ergiebigen Tradition. Wir beginnen darüber nachzudenken, wie weit Kultur, Mythen und Metaphern unser eigenes Denken und Sprechen beeinflussen. "Darmok" sagt uns nicht zuletzt etwas über einen Wechsel der Perspektive, zu dem unsere eigenen Gehirne fähig sind: einem Wechsel weg von Subjekt, Prädikat und Objekt.

Ein weniger barmherziges Babel

Mit der Episode im Hinterkopf erkennen wir, dass die biblische Sprachverwirrung in Babel vergleichsweise gutmütig war. (Vielleicht stammen daher die Gerüchte jenes barmherzigen Gottes, den ich in der Bibel nie finde.) Es gäbe fiesere Methoden, um die Menschen an der Erforschung ihrer Möglichkeiten zu hindern, als lediglich eine Vielfalt von Sprachen zu erzeugen. "Bewegen Sie diesen Stein nach rechts", "move that rock to the right", "déplacez cette pierre vers la droite" – es ist vergleichsweise einfach, eine Sprache zu lernen. In jeder wird es ein Wort für "Stein" geben, ein anderes für "verschieben". Aber die Worte zwischen zwei Personen sind bedeutungslos ohne geteilte Konzepte: ohne eine vergleichbare Wahrnehmung der Welt. Wie konfus würde es doch, wenn ein Volk die Welt nach Farbe ordnete, ein anderes nach Geruch. Welche Farbe entspricht dem Stein, und wie riecht das dann? Und was steht in dieser Wahrnehmung unmittelbar neben dem Stein? Vielleicht die Kartoffel, weil sie steinähnlich riecht? Müsste so ein Volk ein Gebäude – beispielsweise einen Turm! – nicht in "Duftzonen" unterteilen statt in Zimmer? Noch immer wäre Verständigung mit der Zeit möglich, aber sie bedürfte einer neuen Sicht der Welt mindestens so sehr wie eines neuen Vokabulars.

Erfüllt mit Persönlichkeit

"Darmok" ist nicht eine "Charakterepisode" in dem Sinn, wie offenbar viele Leute den Begriff verstehen: als eine Episode, in der den Charakteren etwas Tiefgreifendes, gar Lebensveränderndes zustößt. (Ich bespreche dieses Thema ausführlich im Kommentar zu "Yesterday's Enterprise", dt.: Die alte Enterprise.) Aber es ist eine Episode, die ihre Charaktere vorzüglich zur Schau stellt. Picard verhält sich auf dem Planeten so, wie nur Picard sich verhalten würde, und es ist ganz anders, als es mit Riker oder Data der Fall wäre. Es ist nicht leicht, mit dem Finger auf die Details der Charakterisierung zu zeigen, aber sie geschieht ständig und erfüllt die Geschichte mit Persönlichkeit. Es ist vielleicht bezeichnend, dass sogar die zwei Tamarianer nach wenigen Minuten bereits umschrieben wurden – lediglich mit Pantomime und Tonfall!

Stimmungsvoll

Dies, wie schon in der Einführung angesprochen, ist eine Episode mit einer ganz eigenen Stimmung, die einen in sich einhüllt. Ich tendiere sogar zum Wort "einlullen", und nicht nur wegen der alphabetischen Nähe. Der letzte Akt, in dem Picard und Darmok am Lagerfeuer sitzen, ist für mich einer der viszeral gemütlichsten Momente der Fernsehserie. (Dieses Element der Stimmung ist natürlich nicht getrennt von der Sprache und ihrem Rhythmus: Ganz im Gegenteil entsteht sie daraus.) Die ganze Episode spielt in einer ganz eigenen Stimmung, die Episoden zuvor oder danach nicht teilen. Stimmung erhält überhaupt mehr Gewicht in der fünften Season. Wenn ich über die ersten vier Seasons nachdenke, so finde ich vielleicht eine Handvoll besonders stimmungsreicher Momente – die letzten Szenen von " The Best of Both Worlds" (dt.: "In den Händen der Borg") oder "Reunion" (dt.: Tödliche Nachfolge) müssten dazu gehören. Aber selten sehe ich Anzeichen, dass eine besondere Absicht dahinter steckte. Stimmung ergab sich gelegentlich aus der Erzählung. Die fünfte Season hingegen beginnt mit Episoden, die einen Grossteil ihrer Existenzberechtigung als atmosphärische Übung erhalten: "Power Play" (dt.: Ungebetene Gäste) ist eine Geistergeschichte und ein Thriller – inhaltlich gar nicht so bemerkenswert, phänomenal jedoch in Stil und Stimmung. Seit Jahren dreht sich "Ensign Ro" für mich um eine stimmungsvolle Szene, in der Picard und Crew erstmals auf Bajor beamen: "They were architects and artists, builders and philosophers when humans were not yet standing erect." Die fünfte Season spielt mit dem Horror Genre – und was ist Horror, wenn nicht Atmosphäre? (Neben "Power Play" auch "Violations", dt.: Geistige Gewalt, "Cause and Effect", dt.: Déjà Vu, und "Imaginary Friend", dt.: Der imaginäre Freund.) Wer erinnert sich nicht an die Bar in "Unification" (dt.: Wiedervereinigung), jene mit der kitschigen Organistin mit mehreren Händepaaren? Verbinden wir mit "The Inner Light" (dt.: Das zweite Leben) nicht zu einem großen Teil die Stimmung von Picards neuer Familie und Gemeinschaft? Ich sehe im Stimmungsreichtum – und auch in der Stimmungsvielfalt – das vereinende Element der ganzen Season. "Darmok", in so vieler Hinsicht bereits die Verkörperung der Serie, geht nur den ersten Schritt.

Bemerkenswertes:

Die Episode wurde von Joe Menosky geschrieben, wobei sie aus einer Story von Menosky und einem gewissen Philip Lazebnik entstand (Autor des Drehbuchs und Co-Autor der Geschichte von "Devil's Due", dt.: Der Pakt mit dem Teufel). In Nemecek ("Companion") wird Michael Pillers Meinung zitiert, dass Menosky die definierenden Aspekte der Geschichte eingeführt habe. Menoskys Beitrag zu "Star Trek: Voyager" war groß: Er bekam expliziten Credit – dies im Gegensatz zu den Beiträgen, die alle Autoren des Stabs ständig leisten – für erstklassige Folgen wie "Living Witness" oder "Muse", und er war Co-Autor vieler Zweiteiler und Highlights zusammen mit Brannon Braga. Diese umfassen "Scorpion", "Distant Origin" und "Timeless".

Der Titel "Darmok" ist "Komrad" rückwärts – phonetisch hört man den "Kameraden" heraus.

Paul Winfield (Captain Dathon) ist, ohne Make-Up versteht sich, ein recht bekanntes Gesicht. Er spielte in "Star Trek II: The Wrath of Khan" einen Captain der Starfleet und war im Fernsehen unter anderem in "Mannix", "Picket Fences", "Perry Mason", "Mission: Impossible" und "Babylon 5" zu sehen.

Ashley Judd spielt hier Ensign Leffler, die in "The Game" (dt.: Gefährliche Spielsucht) noch ein weiteres Mal als Wesleys Freundin auftritt. Es ist nichts weiter als nutzlose Trivia und ein obskures kleines Fakt, dass die Internet Movie Database behauptet, Judd verstehe sich als Etymologin – wie passend für diese Episode!

Zuverlässige Quellen lassen verlauten, der tamarianische Ausdruck für "cool" sei neuerdings "Picard, his new jacket at El-Adrel."

Nitpicking:

"Darmok" hat bestimmte unpolierte Kanten, die eine separate kleine Besprechung verdienen. Nichts davon ist schwerwiegend, und nichts davon dämpft meine Freude an diesem Meisterstück – man könnte von kleinen Unstimmigkeiten sprechen.

Zum einen finde ich es erstaunlich, dass die Enterprise auf diese Mission ganz ohne professionelle Linguisten geschickt wird. Ich verstehe gut, dass dies unsinnig wäre im Rahmen der Erzählung: Sie soll sich auf die Hauptfiguren konzentrieren, und eine neue Nebenfigur würde nur die ohnehin schon knappe Spielzeit verschwenden. Dennoch ist es etwas schwer zu glauben – und es wäre leicht zu lösen: Die Enterprise könnte ja zufällig in diesen Erstkontakt hineinstolpern, statt von der Föderation geschickt zu werden. Es ist so schwer vorstellbar, dass nirgendwo ein junger Linguist nach einem Thema für seinen Doktortitel sucht, oder ein älterer Linguist nach einem würdigen neuen Problem!

(Ich muss noch mal darauf hinweisen, dass mich dies – wie auch alles Nachfolgende – mehr intellektuell als erzählerisch stört. Es ist unlogisch, aber es hat nichts zu tun mit der Wirkung der Episode, der Cleverness der Prämisse oder der Kunstfertigkeit der Umsetzung. Die "Next Generation" erzählt nicht realistisch, sondern theatralisch, und ich gestehe ihr die Einheit von Ort und Zeit zu; und vielleicht ist es passend, für Fernsehserien die "Einheit der Charaktere" zu definieren: Kurz zusammengefasst, die Episode darf in einem Mikrokosmos stattfinden.)

Etwas verwirrend sind weiterhin die Quellen, auf die sich Troi und Data während ihren Nachforschungen beziehen. Die Föderation hat sich offensichtlich noch nie mit den Tamarianern verständigen können, und doch verfügt der Computer über Geschichten, auf denen die Sprache der Tamarianer aufbaut. Wie also konnte die Föderation von diesen Geschichten erfahren? Es gibt nur zwei mögliche Antworten: Entweder gibt es mindestens eine Spezies, die sowohl die Sprache der Tamarianer wie auch eine Sprache der Föderation beherrscht – oder: Die Tamarianer beziehen sich auf Ereignisse, die auch von anderen Beobachtern gesehen wurden, und die dann in zugänglicheren Sprachen bis zur Föderation vordrangen. In ersterem Fall gäbe es bekannte Übersetzer, deshalb müssen wir den zweiten annehmen. (Wir müssen den zweiten Fall auch deshalb annehmen, weil der Computer die Mythen auf dem Planeten Chantil III ansiedelt, was gemäss der sprachlichen Konventionen des Star Trek Universums wahrscheinlich nicht die Heimat der Tamarianer ist.) Nur passt mir dieser zweite Fall nicht so ganz: Wäre es nicht viel wahrscheinlicher, dass sich die Sprache der Tamarianer auf Ereignisse oder Mythen bezieht, die in der Vorgeschichte ihres eigenen Planeten stattfanden? Wir dürfen wohl annehmen, dass die Tamarianer miteinander sprechen mussten, um bis in den Weltraum zu gelangen. Daher die Frage: Modernisieren die Tamarianer ihre Sprache laufend, so dass ich irgendwann nicht mehr "Julia auf ihrem Balkon" sagen würde, sondern "Jack und Rose auf der Titanic"? Vielleicht sind die Tamarianer schon sehr lange raumfahrend.

Es ist übrigens nicht ganz undenkbar, dass die Tamarianer hier gar nicht im engsten Sinn ihre eigentliche Sprache sprechen, jedenfalls nicht mit ihrem eigenen "Vokabular": Es muss ihnen ja klar sein, dass nur sie von den Mythen ihrer eigenen Kultur wissen können. Vielleicht haben sie also ganz bewusst Metaphern gewählt, deren Grundlage jeweils auch der Föderation bekannt wäre. Dies wirft allerdings erneut das Problem auf, dass die Tamarianer in dem Fall Kontakt mit einem Volk haben musste, das auch mit der Föderation sprechen kann (Darmok und Gilad auf Tanagra sind laut der Episode mythische Gestalten).

Es ist zudem eine vernünftige Feststellung, dass der Universalübersetzer offenbar Präpositionen wie "at" und "in" übersetzen kann, obwohl es überhaupt keinen Kontext gibt. Wie? Es ist weniger ein technisches Problem (der Universalübersetzer ist ja ohnehin schon ein sehr dezentes, an Magie grenzendes Utensil) als ein erkenntnistheoretisches!

Um noch einmal zu den professionellen Linguisten zurückzukehren: Wir wissen aus der Episode, dass bereits mehrmals Kontakt mit Tamarianern aufgenommen wurde, und wir wissen auch, dass die Datenbank der Föderation einige Inhalte hat, auf die sich die Sprache der Tamarianer bezieht. Ist es nicht erstaunlich, dass sich nie jemand diesem Problem annahm und zumindest die Eigennamen erforschte, die von den Tamarianern gebraucht werden? Aber wie schon gesagt, auch dies ist kein wesentlicher Einwand: Wir können immer annehmen, dass Data in einer Datenbank sucht, die erst kürzlich im Rahmen eines Erstkontaktes verfügbar wurde.

Als letzter (und konkretester) Nitpick: Man muss kein großer Geek sein, um zu wissen, dass hier ein Phaser-Strahl aus einem Photonentorpedo-Rohr kommt!

Zitate:

Eine der wundervollsten Passagen der ganzen Serie findet sich gegen Ende der Episode: Picard kehrt auf die Enterprise zurück und ruft die Tamarianer, deren erster Offizier antwortet: "Zinda! His face black, his eyes red!"
Picard: "Temarc! The river Temarc – in winter!"
Tamarianer: "Darmok?"
Picard: "And Jalad. At Tanagra. Darmok, and Jalad – on the ocean."
Tamarianer: "Sokath, his eyes open!"
Picard: "The beast of Tanagra. Uzani, his army. Chaka, when the walls fell."
Die Tamarianer beamen das Log ihres verstorbenen Captains Dathon zu sich.
Tamarianer: "Picard, and Dathon – at El-Adral. Mirab, with sails unfurled."
Picard, mit Dathons Messer in der Hand: "Temba, his arms open."
Tamarianer: "Temba… at rest."

Mein Namensvetter Raphael Carter hat eine empfehlenswerte Seite über die Sprache in "Darmok" zusammengestellt. Sie enthält unter anderem einen Diktionär:
http://www.chaparraltree.com/sflang/darmok.shtml
Die "Next Generation" konnte solchen Enthusiasmus inspirieren!!

Dank gilt...

Lukas Schaffner: Für die Videokassetten, die du 1993 von Sky One aufgenommen und mir geliehen hast. Mit dieser Episode lernte ich Englisch und konvertierte zum Fan. Ich lebe gerne in einem Quantenparalleluniversum, in dem dies geschehen ist.

Einschaltquoten (von Martin Seebacher):

Die US-Qoten dieser Folge wurden in den uns bekannten Quellen leider nicht veröffentlicht. In Deutschland erzielte die Folge bei der Erstausstrahlung in Sat.1 passable 16,9% Marktanteil bei 1,35 Millionen Zuschauern.

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Letztes Update:
11. Oktober 2003

©2003 Rafael Scholl.