Inhalt:
Die Enterprise fliegt in eine Raumanomalie hinein und erleidet schwere Schäden. Auf der Brücke ist Troi der ranghöchste Offizier. Picard ist mit drei Kindern in einem Turbolift gefangen, der nach unten zu fallen droht. Beverly und Geordi kämpfen mit einem Plasmafeuer in einem Frachtraum. Riker und Data schlagen sich zum Maschinenraum durch, um das Schiff wieder unter Kontrolle zu bringen. Und in Ten Forward hilft Worf bei Keikos Geburt.
Kommentar:
Ich mag diese Episode. Sie ist nicht rundum gelungen: Wir wären vermutlich ohne die Geschichte über Geordi, Beverly und ein grausiges Plasmafeuer ausgekommen. Auch die andere Handlungsfäden sind nicht gerade goldene Klassiker. Aber ich sehe Qualitäten: Es kommt Spannung auf, wenn Troi das Kommando auf der Brücke übernehmen muss. Wie weit kann man einem Hitzkopf wie Ro vertrauen, wie weit einem Mann wie O'Brien, der es gewohnt ist, klare Befehle zu bekommen?
Ich sehe Witz in anderen Handlungsfäden: Picard und die drei Kinder finde ich köstlich, eine Kombination (wie so oft) von guten Darstellern und witzigen Einfällen des Drehbuchs. Drei Kinderschauspieler, die mich nicht irritieren: Das ist eine Leistung der Besetzung. Ich habe große (nicht ganz erklärbare) Freude an "Frère Jacques", aber auch am "Executive Officer in Charge of Radishes". Apropos: "I planted radishes in a special dirt and they grew all weird!"
Die Idee von Datas detachiertem Kopf ("my cranial unit") provoziert ein entschiedenes Schmunzeln, und auch nach zehn Jahren lache ich laut heraus, wenn Worf seine sanfteste Fassade aufsetzt, um Keiko bei ihrer Geburt zu helfen ("you may go into delivery"). Ich war kürzlich im Rahmen meines Medizinstudiums bei einer Geburt anwesend, und ja: die meisten Hebammen haben eine gewisse charakterliche Ähnlichkeit mit Worf.
Dies ist eine gemütliche Episode: Stimmung rückt wieder einmal ins Zentrum, nicht zum letzten Mal in dieser Season (vgl. "Darmok"). Nein: Es ist kein Moralstück, es ist keine Komödie, es ist auch kein Thriller. Wer diese Episode vergessen will: meinetwegen. Aber ist sie schon nichts mehr, so doch auch nichts weniger als eine Dreiviertelstunde mit einigen meiner liebsten Charaktere in der Fernsehgeschichte und sie wirken hier lebendig und real wie in den besten Episoden.
Die Prämisse Sturmschaden! ist tatsächlich banal. Ich denke, die Autoren (einer davon übrigens Ronald D. Moore) waren sich dessen wohl bewusst. Aber es zeigt sich hier, wie gut diese Leute ihr Handwerk beherrschen, wie einladend das Universum der Serie in ihren Händen ist. Sie stürzen sich auf die einzelnen Handlungsfäden, um etwas Sinnvolles mit den Charakteren zu unternehmen: Um sie darzustellen, um sie in witzige oder spannende Situationen zu bringen. Michael Pillers Leitfrage ist: "Wie sind die Figuren hier betroffen?" Sie wird hier beantwortet (mit der einen Ausnahme eben von der Geordi/Beverly-Story), und das ist mehr, als die meisten Serien von ihren geringeren Episoden behaupten können. Man kann sich darüber streiten, ob man eine Episode im Genre des Katastrophenfilms anlegen will: Aber wenn man sich dafür entscheidet, dann gibt es wohl kaum etwas Passenderes, als Picard mit Kindern in einen Turbolift zu stecken, Troi auf der Brücke das Kommando übernehmen und Worf ein Kind zur Welt bringen zu lassen. (Welch einladendes Augenzwinkern: Die Geburt, dieser ewige Standard des Genres!) Also ja, eine Episode aus der unteren Hälfte des Mittelmässigen: Aber auf der Skala der "Next Generation" ist dies kein Desaster.
Bemerkenswertes:
Trois Geschichte wird in der siebten Season in "Thine Own Self" (dt.: Radioaktiv) noch mal aufgenommen. Sie erklärt dort, seit dem Unglück in dieser Episode spiele sie mit dem Gedanken, die Prüfung zum Brückenoffizier abzulegen.
Geordi soll "I Am the Very Model of a Modern Major General" singen: Ein Stück aus "The Pirates of Penzance" von William S. Gilbert and Arthur Sullivan aus dem 19. Jahrhundert. Dies setzt übrigens Beverlys Interesse am Theater fort (vgl. "The Nth Degree", dt.: Reise ins Ungewisse).
Auf der Plakette, die Picard am Ende erhält, stehen die Namen der drei Kinder: Die Vornamen entsprechen jenen der Charaktere in dieser Episode, die Nachnamen gehören den jungen Schauspielern. Erika Flores (Marissa) hatte später eine feste Rolle in "Dr. Quinn, Medicine Woman".
Diese Episode illustriert wieder einmal eine meiner kleinen Lieblingstheorien. Es steckt eine gewisse Mühe in den Computerdisplays. Sie wirken funktionell: Man denke nur an die Konsole, an der O'Brien und Ro auf der Brücke arbeiten, jene mit den Blöcken, die von einer Zeile auf die andere geschoben werden. Es ist ein cleveres stilistisches Mittel, um uns den Eindruck zu vermitteln, da werde tatsächlich etwas gearbeitet, mit einem technischen System interagiert. Wie ich schon in "Evolution" (dt.: Die Macht der Naniten) betonte: Die Figuren wirken so kompetenter, und das Schiff wirkt realer. Vieles steckt in den Details.
Nitpicking:
Dies ist kein direkter Fehler, aber es ist etwas merkwürdig: Warum fällt der Turbolift, wenn ihn nichts mehr hält? Wäre es nicht sicherer und einfacher, im Turboliftschaft kein Gravitationsfeld zu erzeugen?
Zitate:
Picard: "Let's see… your science project involved radishes, did it not?"
Paterson: "Yeah, weird ones."
Picard: "Excellent. You'll be our executive officer in charge of radishes."
Troi (mit strahlender Einsicht): "So it's like a cosmic string?"
O'Brien: "No, that's a completely different phenomenon."
Worf: "Dilation has gone to nine centimeters since the onset of labor. That did not take long."
Keiko: "Easy for you to say!"
Data: "That is not the correct port, Sir."
Riker: "Sorry."
(Man musste dabei sein!)
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