Inhalt:
Die Voyager-Crew nimmt Enaraner bei sich auf, um sie vom Fima-System zu ihrer Heimatwelt zu bringen. Die Enaraner haben eine weit entwickelte Wissenschaft und sind telepathisch begabt. B'Elanna Torres hat plötzlich sehr intensive, erotische Träume. Sie ist darin das Mädchen Korenna, das eine verbotene Romanze mit Dathan, einem Mitglieder der Rückschrittlichen, hat. Die Rückschrittlichen sind eine Gruppe, die jeglichen technologischen Fortschritt ablehnen. Zu Beginn findet Torres die Träume anregend, doch dann wird sie von ihnen verfolgt. Bald hat sie die Träume auch im Wachzustand. Jareth, Korennas Vater und ein hoher Offizier, leitet die zwangsweise durchgeführte Umsiedlung der Rückschrittlichen, angeblich um Seuchengefahren zu vermeiden. Doch ganz offensichtlich werden die Mitglieder der Rückschrittlichen einfach entmaterialisiert.
Als B'Elanna bewußtlos im Maschinenraum gefunden wird, stellt der Holodoc fest, daß sie eine künstlich implantierte Erinnerung durchläuft. Janeway stellt den Enaraner Brel zur Rede, der meint, B'Elanna empfange sicher nur Erinnerungsfetzen verschiedener Enaraner.
B'Elanna träumt erneut und erlebt, wie sie bei einem Aufstand der Rückschrittlichen im Gesicht verletzt wird. Jetzt erkennt sie, daß die Erinnerung von der Enaranerin Jora Mirell stammt, die sie sterbend in ihrem Quartier findet. Jora bittet Torres, die Erinnerung nicht sterben zu lassen.
Torres träumt das Erlebte zu Ende. Korenna läßt sich von ihrem Vater überzeugen, daß Dathan sie nur benutzt. Daraufhin verrät sie ihren Geliebten. Dathan wird öffentlich hingerichtet. Später erzählt Korenna einigen Schulkindern, daß sich die Rückschrittlichen durch Seuchen und Kämpfe selbst ausrotteten. Torres erkennt, daß die Erananer die Rückschrittlichen töteten und seitdem eine gewaltige Geschichtsfälschung betreiben. Sie beschuldigt die Enaraner offen, die aber streiten alles ab. Doch die Enaranerin Jessen ist bereit, auf telepathischem Weg die Erinnerung von Jora Mirell auf sich zu nehmen.
Kritik:
"Remember" ist eine Episode, die nicht besonders vielversprechend beginnt, sich aber bald völlig überraschend als erstaunlich intelligent und hintergründig erweist. Der Unterschied zur vorhergehenden Episode "False Profits" (dt.: Das Wurmloch) könnte nicht extremer sein.
Die Parallele zum Holocaust und der Auschwitzlüge sind alles andere als Zufall, zumal der Begriff Enaraner an das Wort "Arier" erinnert. Sinnbildlich hierfür ist auch, daß die Enaraner nach der absoluten äußeren "Reinheit" streben, hier in Form von übertriebener Hygiene, und sie diese mangelnde Hygiene bei den "Rückschrittlichen" als Grund vorschieben, um einen ganzen Teil der Bevölkerung auszurotten.
Darüber hinaus wird eine Gesellschaft gezeigt, deren Anliegen, die Geschichte zu fälschen, tatsächlich erfolgreich war. Ihnen ist es gelungen, die Tötung der "Rückschrittlichen" zu vertuschen. Die Episode ist deshalb so faszinierend, weil es den Enaranern dadurch nicht schlecht geht. Sie scheinen mit dieser Lüge sehr gut zu leben. Und trotzdem empfinden wir mit den Enaranern großes Mitleid, weil ihre historische Identität auf einer Lüge basiert.
Parallelen zu faschistischen Staaten und Gruppierungen gibt es in der SF häufig. Nur leider sind sie oft alles andere als subtil umgesetzt. Das Gegenteil ist hier der Fall. Die Macher gingen sehr behutsam mit der Message der Episode um und hielten sich mit der Nazi-Symbolik in den Kostümen zurück. Das sehr stilvolle Bühnenbild von Richard James, die gute Figurenführung von Regisseur Winrich Kolbe, die Garderobe, das Make-Up, all diese Elemente wirkten zusammen, um mit leisen Tönen eine starke Botschaft zu vermitteln. Besonders beeindruckend ist, wie liebenswert die Enaraner dargestellt werden, was eine bequeme Trennung von schwarz und weiß verhindert. Das sind keine simplen TV-Bad-Guys. Sie lassen sich nicht einteilen in die "guten" und "bösen" Enaraner. Auch Jora Mirell ist keine solche Figur. Torres beschreibt sie sehr genau: "She showed me everything. No apologies. No request for forgiveness. Just the truth. At least she had the conscience to stand up and realize what she had done wrong, which is more than I can say for you." (Dt.: Sie hat mir alles gezeigt. Keine Entschuldigungen. Keine Bitte um Vergebung. Nur die Wahrheit. Sie hatte wenigstens das Gewissen, um aufzustehen und zu erkennen, was sie falsch gemacht hat; das ist mehr als ich von Ihnen sagen kann.)
An "Remember" sieht man, wie sehr sich Star Trek seit der Classic-Episode "Patterns of Force" (dt.: Schablonen der Gewalt) weiterentwickelt hat. Ich kenne außer Star Trek im TV keine SF-Serie, der es bislang gelungen wäre, eine Parabel zum Themenkomplex "Nazis" zu erzählen, ohne dabei mehr oder weniger die Intelligenz des Zuschauer durch plumpe Symbole und Vereinfachungen zu beleidigen. Die nach absoluter Reinheit strebenden Enaraner sind nicht bereits nach 10 Sekunden als "die Bösen" zu erkennen, sie sind es aber auch nicht nach zehn Minuten und noch nicht einmal nach 45 Minuten. Genau dadurch liefert die Episode dem Zuschauer keine simplen Erklärungen.
Besonders beeindruckend ist, daß "Remember" nicht nur so hervorragend auf der intellektuellen Ebene überzeugt. Die Episode spricht genauso die Gefühlsebene an, denn es geht in erster Linie um eine tragische Liebesgeschichte aus der Perspektive einer alten Frau, die ihr ganzes Leben mit einer schrecklichen Lüge gelebt hat. (Letztlich eigentlich nicht ganz dem Storyaufbau von "Titanic" unähnlich.)
Winrich Kolbe hat ein enormes Gefühl für gut inszenierte Charaktermomente. Einfach großartig ist die Szene, als Korinna ihrem Vater nur durch einen Blick mitteilt, daß sich Dahmar hinter dem Vorhang versteckt. Kolbe war für den neunten Star Trek-Kinofilm als Regisseur im Gespräch, wurde aber angeblich von Patrick Stewart abgelehnt, da es bei den Dreharbeiten des TNG-Finale "All Good Things..." (dt.: Gestern, heute morgen) zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden gekommen sein soll.
Leider hat der Voyager-Sender UPN die Ausstrahlungsreihenfolge der Serie verändert. Janeway fragt hier Tuvok, wann sie ihn zum letzten Mal überrascht habe. Er kann darauf keine Antwort geben, dabei hatte er in "The Swarm" (dt.: Der Schwarm) ausdrücklich gesagt, daß Janeway ihn nun überrascht habe. Daran hätte er sich eigentlich erinnern müssen. Sieht man auf die Produktionsnummer, wird alles klar. "The Swarm" (Produktionsnummer 149) wurde NACH der Episode "Remember" (Produktionsnummer 148) gedreht und dann von UPN in umgekehrter Reihenfolge gesendet. Dadurch wurde leider das Bemühen der Autoren, auch in den Dialogen Janeways Entwicklung zu etwas unkonventionellerem Verhalten anzudeuten, völlig ruiniert. Diese Zerstörung von Kontinuität durch den Sender sollte hier nicht das letzte Mal auftauchen. In "Fair Traide" (dt.: Das Wagnis) begibt sich die Voyager in die "Necrid Ausdehnung" und verbleibt für einige Folgen in diesem Raumabschnitt. UPN stellte dann die Episoden um, so daß sich die Voyager daraufhin mal in, mal außerhalb der "Ausdehnung" befand.
Ab dieser Episode steht im Vorspann nicht mehr Roxann Biggs-Dawson sondern nur noch "Roxann Dawson". Als der Torres-Darstellerin die Rolle für "Star Trek - Voyager" zugesagt worden war, hatte sie gerade geheiratet. Sie wollte nicht, daß der Casting-Direktor sie für eine andere Darstellerin hält, wenn er ihren neuen Namen auf der Liste sieht. Also benutzte sie einen Doppelnamen. Jetzt, nachdem "Star Trek - Voyager" einige Zeit läuft, hat sie sich entschlossen, nur noch den Namen ihres Mannes zu tragen.
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