Inhalt:
Die Voyager rettet vier ilarianische Überlebende aus einem schwerbeschädigtem Raumschiff. Der Holodoc kann nur drei retten, der vierte Ilarianer, der Anführer Tieran, stirbt. Als Tieran im Sterben lag, war Kes bei ihm. Mit Hilfe von Technologie konnte er sein Bewußtsein auf Kes übertragen.
Kes erzählt Neelix, daß sie in Zukunft ein wenig mehr Abstand von ihm haben möchte, er erdrücke sie mit seiner Fürsorge. Als die Ilarianer zur Begrüßung an Bord beamen, beginnt Kes um sich zu schießen. Sie tötet den Transporterchef, während Janeway von Adin bewußtlos geschlagen wird. Die drei Ilarianer flüchten mit einem Shuttle. Tieran will in dem Körper von Kes wieder die Herrscherrolle übernehmen, die ihm vor vielen Jahren genommen wurde.
Der Holodoc entwickelt ein Gerät, mit dem Kes wieder die Kontrolle über ihren Körper zurückerhalten kann. Dazu müßte aber jemand das Gerät mit ihrer Haut berühren. Tieran möchte im Körper von Kes bleiben, weil er nun auch Zugang zu den mentalen Kräften einer Okampa hat. Als Tuvok sich in den Regierungspalast einschleicht, kann ihn Tieran telepathisch aufspüren und gefangen nehmen lassen. Kes versucht aber, Tieran zu bekämpfen, erfolglos. Als Janeway mit einem Außenteam den Regierungssaal stürmt, flüchtet Tieran in den Körper von Ameron, kann dort aber von Kes aufgespürt werden.
Kritik:
"Warlord" ist eine temporeich inszenierte, kurzweilige Episode mit einer Jennifer Lien in Hochform. Über die nicht besonders originelle Grundidee trösten die geglückten Charakterszenen hinweg, insbesondere der mentale Kampf zwischen Kes und Tieran war fesselnd inszeniert. Die extrem schwache Auflösung verhindert aber letztlich, daß es sich bei "Warlord" um mehr handelt als eine durchschnittliche Episode. Hier wurde das Problem schlicht dadurch gelöst, daß Janeway mit einem Außentrupp den Palast stürmte. Sowas ist immer enttäuschend.
Der Mangel an neuen Einfällen schlägt sich auch im Detail nieder. So erinnerte vor allem das Gerät von Tieran, das die Bewußtseinsübertragung ermöglichte, zu sehr an die DS9-Episode "The Passanger" (dt.: Der Parasit). Und Kes befand sich in einem Outfit, das weniger an einen Kriegsherrn als an die Intendantin aus dem Paralleluniversum in DS9 erinnerte. Da es sich bei der Grundidee nun wirklich nicht um einen originellen Einfall handelt, fällt ein Ideenmangel in einzelnen Abschnitten natürlich nur noch unangenehmer auf.
Wieder einmal kann der temporeiche Regiestil von David Livingston begeistern. Livingston übertrieb nur ein wenig mit dem für ihn ungewöhnlich häufigen Einsatz der Handkamera. Fast wirkte es so, als versuchte er verzweifelt, die Drehbuchschwächen durch eine überdrehte Kameraführung auszugleichen. Nicht zu beanstanden war wie immer der einfallsreiche Soundtrack von David Bell.
Erfreulich ist, daß diese Episode an die Ereignisse in "Cold Fire" (dt.: Suspiria) anschließt. Tieran benutzte die Okampa-Fähigkeiten, um wie Kes in "Cold Fire" das Blut seiner Gegner zum Kochen zu bringen, wodurch abermals deutlich wurde, welche großen mentalen Kräfte in Kes verborgen liegen. Da aber die Autoren mit diesen Fähigkeiten von Kes nicht umgehen konnten, führten gerade Episoden wie "Cold Fire" oder eben "Warlord" dazu, daß die Autoren das Gefühl hatten, mit der Figur von Kes in einer Sackgasse zu stecken. Sie standen vor der Wahl, die Fähigkeiten von Kes nicht weiter zu entwickeln und mit einer stagnierenden Figur dazustehen, oder sie doch weiterzuentwickeln, um dann plötzlich bei einer Figur zu enden, die viel zu mächtig ist und mit jeder Bedrohung zu leicht fertig wird. Diese Überlegungen waren sicher mit ein Grund dafür, weshalb sich die Autoren zu Beginn der vierten Staffel dazu entschlossen, die Figur der Kes aus der Serie herauszuschreiben.
Demmas meint an einer Stelle, das Bewußtsein von Kes sei verloren, nachdem Tieran ihren Körper übernommen hat. Es wurde nicht gesagt, ob das die Wahrheit war, oder ob Demmas log, damit Janeway keine Hemmungen hat, Tieran zu töten. Offensichtlich hat aber Demmas gelogen, da am Ende auch Ameron eine Übernahme von Tieran ohne Bewußtseinsauslöschung überstand.
Eine Szene, die später eine völlig andere Bedeutung erhalten sollte, war der Streit zwischen Kes und Neelix. Wirkte es zunächst noch so, als würde hier Tieran sprechen, erfuhr der verwunderte Zuschauer in der Episode "The Darkling" (dt.: Charakterelemente), daß sich Neelix und Kes getrennt hatten. Viele Fans gingen daher davon aus, daß in "Warlord" doch nicht Tieran zu Neelix gesprochen hatte. Vielmehr erschien es nun so, daß Kes unter dem Einfluß von Tieran endlich den Mut fand, ihre Beziehung zu Neelix zu beenden. Allerdings war für "Fair Trade" (dt.: Das Wagnis) eine Szene geschrieben und gedreht worden, die die Trennung von Neelix und Kes zeigte. Diese Szene fiel dann aber vor allem auf Jeri Taylors Drängen hin der Schere zum Opfer. Man muß also davon ausgehen, daß der Streit zwischen Kes und Neelix in "Warlord" allenfalls ein Vorbote für die spätere, nicht gezeigte Trennung war.
In dieser Episode taucht erstmals das neue "Baywatch"-Holodeckprogramm auf, mit dem die Macher der Serie wohl versuchten, durch das Zeigen von ein bißchen nackter Haut neue Zuschauergruppen anzuziehen. Leider wirkt die Strandkulisse furchtbar künstlich, so daß kaum Atmosphäre aufkommt. Es wäre besser gewesen, man hätte für diese Szenen einen echten Strand aufgesucht, dann hätte das Holoprogramm für ein paar abwechslungsreiche Außenaufnahmen sorgen können. Das "Baywatch-Programm" sollte in der dritten Staffel noch hin und wieder gezeigt werden, dann aber genauso in der Versenkung verschwinden wie Toms "Sandrines Bar". Bereits in der Folge "Displaced" (dt.: Translokalisation) ist die Baywatch-Kulisse zum letzten Mal zu sehen.
Die kurzen Anspielungen auf eine lesbische Liebesbeziehung (Tieran liebt auch als Kes weiterhin seine Frau), die im Gegensatz zur DS9-Episode "Rejoined" (dt.: Wiedervereinigung) hier aber nicht zu einem Kuß führten, wurden im US-Werbetrailer zu dieser Folge extrem breitgewalzt. Das zeigt, daß sich die Verantwortlichen an den vielen empörten Briefen, die der gleichgeschlechtliche Kuß der DS9-Episode "Rejoined" in den USA ausgelöst hatte, nicht störten, sondern darin nur eine willkommene Gelegenheit sehen, Star Trek ins Gespräch zu bringen. Interessant ist aber immerhin der Umstand, daß es Tieran so gar nichts ausmacht, plötzlich im Körper einer Frau zu leben. Ungeklärt bleibt, ob das allgemein an dem Sexualverständnis der Ilarianer liegt, oder nur an Tieran (seine Frau Nori ist von der Veränderung ja nicht so begeistert).
Insgesamt ist "Warlord" ein ziemlich seichtes Actionabenteuer, dessen einzige Berechtigung eigentlich darin liegt, daß Kes-Darstellerin Jennifer Lien endlich einmal die Gelegenheit hatte, zu zeigen, was in ihr steckt.
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