Inhalt:
Data und Geordi verbringen ihre Freizeit auf dem Holodeck; sie wollen eine Sherlock Holmes Geschichte nachspielen. Die Sache verliert für Geordi jedoch sehr bald an Witz, als er bemerkt, dass Data sämtliche Romane auswendig kennt und die Rätsel auflösen kann, sobald der erste Satz der Geschichte gesprochen wurde. Doktor Pulaski behauptet, das sei das einzige, was Data tun könne: Er imitiere das, was er auswendig gelernt habe. Jedoch wäre er hilflos, wenn er ein echtes Rätsel im Sherlock Holmes Stil lösen müsste. Geordi und Data kehren deshalb zum Holodeck zurück, begleitet von Pulaski, und weisen den Computer an, einen Gegner zu erschaffen, der Data ebenbürtig sei. Dies erweist sich jedoch als großer Fehler, da der Computer, um diese Aufgabe zu erfüllen, einen Gegner erschafft, der wie Data über Bewusstsein verfügt und Zugang hat zu den Kontrollsystemen des Holodecks. Es ist Professor Moriarty.
Wenig später wird Pulaski entführt. Data und Geordi verfolgen die Entführer bis zum Labor von Moriarty, wo sie aber mehr finden als eine typische Holodeckfigur. Moriarty scheint nach und nach der realen Welt gewahr zu werden; er experimentiert mit dem Holodeck; er ließ sich vom Computer seine "Welt" beschreiben und zeichnet darauf hin ein Bild der Enterprise. Data und Geordi sind alarmiert und benachrichtigen Picard. Alle Versuche, das Holodeck einfach auszuschalten, misslingen; Moriartys Bewusstsein hat die Kontrolle über den Computer. Moriarty hält auch Doktor Pulaski gefangen, benutzt sie jedoch nur als Informationsquelle und Lockvogel, ohne ihr etwas zu tun. Picard betritt nun das Holodeck zusammen mit Data; sie suchen Moriarty auf. Dieser weiß inzwischen mehr von der realen Welt, und er möchte unbedingt leben und diese Welt erforschen. Picard erklärt ihm aber, dass ein Hologramm nur auf dem Holodeck Substanz hat; es gibt keine Möglichkeit, den Wunsch zu erfüllen. Moriarty sieht das ein und gibt die Kontrolle des Schiffes zurück an Picard, der das Programm speichert und beendet.
Kommentar:
Zweimal in "Elementary, Dear Data" übertrifft der Inhalt die Form. Die Episode zeigt eine stimmungsvolle Londoner Kulisse, mit viel Aufwand erbaut und nach drei Drehtagen wieder abgerissen. Sie wird aber überschattet von der klugen Geschichte: Diese handelt von einem holographischen Bösewicht, Professor Moriarty aus den Sherlock Holmes Geschichten, der durch einen unglücklichen Versprecher mit Vernunft und Selbstbewusstsein ausgestattet wird. Und dann übertrifft auch er seine Form und hört auf, ein Bösewicht zu sein. Es ist bezeichnend für die "Next Generation": Die Vernunft ermöglicht den Dialog und löst den Konflikt. Es ist dieser Gedanke, der in den Geschichten oft enthalten ist und der den Geist der Serie ausmacht: Die positive Aussicht auf die Zukunft und auf eine "erwachsenere" Menschheit; auf die Macht des Verstandes, menschliche Probleme zu schaffen und zu lösen. Diese Geschichte treibt den Gedanken ins äußerste Extrem: Der Gegner Moriarty sieht ein, dass sein Anliegen (noch) nicht realistisch ist, und er ergibt sich deshalb zivilisiert. Picard muss nicht lügen, keinen Trick anwenden, keinen Zwang erzeugen, keine Kraft ansetzen: Es reicht gänzlich, die Situation zu besprechen und eine gangbare Lösung zu suchen. Doch was ist überhaupt das Anliegen dieses "zur Vernunft gekommenen" Moriarty? Er will sich selbst und seine Umwelt erforschen dürfen. Wiederum, wie bezeichnend für die Philosophie der Serie: Die Vernunft bringt Moriarty an den Ausgangspunkt aller Star Trek Geschichten, den Wissensdurst. Man mag sich darüber streiten, ob der Vernunft wirklich diese hohe Wertschätzung zuteil werden soll. Unbestreitbar ist aber die einfache Eleganz, mit der diese kleine Geschichte die Philosophie der Serie vertritt.
Doktor Pulaski entwickelt sich zu einer Geschmacksfrage. Ich mag ihre Rolle in dieser Geschichte, jedenfalls aus dem Blickwinkel des Aufbaus der Handlung: Sie behauptet, Data fehle das Verständnis für den menschlichen Geist ("die dunklen Flecken"), und deshalb sei er unfähig, einen echten Fall im Stil von Sherlock Holmes zu lösen. Die Behauptung lädt den zweiten Akt mit Spannung auf. (Der erste Akt, nebenbei bemerkt, besteht nur aus zwei ruhigen Szenen. Sie sind erstaunlich kurzweilig: Ein Lob für Darsteller und Dialog.) Gleichzeitig wird man den Eindruck nicht los, Pulaski schlage ein längst gestorbenes Pferd: Will sie beweisen, dass Data kein Mensch ist? Das steht jedoch ohnehin außer Frage und sagt noch nichts über Intelligenz oder Bewusstsein aus.
Bemerkenswertes:
Sherlock Holmes ist eine Romanfigur, die von Sir Arthur Conan Doyle erschaffen wurde und in über sechzig Geschichten vorkommt. Der Autor war ursprünglich Arzt und nahm die schriftstellerische Tätigkeit auf, weil ihm seine schlecht laufende Privatpraxis viel Freizeit übrig ließ. (Aus Roy Porter: "Greatest Benefit to Mankind".) Fünf Jahre nach der Veröffentlichung des ersten Romans (im Jahr 1887, "A Study in Scarlet") konnte sich Doyle von seiner Arztpraxis trennen und sich gänzlich dem Schreiben widmen.
Professor Moriarty ist tatsächlich der größte Feind von Holmes und Watson.
Die Episode bezieht sich erneut auf Datas Begeisterung für Sherlock Holmes, die in "Lonely Among Us" (dt: Die geheimnisvolle Kraft) der ersten Season eingeführt wurde. Eine Fortsetzung zu dieser Episode drängt sich förmlich auf, sie folgte jedoch erst in der sechsten Season ("Ship in a Bottle"); der Grund dafür war offenbar, dass die Produzenten irrtümlich glaubten, die Verwalter des Nachlasses von Sir Arthur Conan Doyle würden die Rechte an den Figuren nicht oder nur zu einem sehr hohen Preis freigeben. (Aus Larry Nemecek: "The Star Trek: The Next Generation Companion".)
Pulaski spricht von London in der Vergangenheitsform. Das ist sehr interessant; gibt es die Stadt im 24. Jahrhundert nicht mehr? Es könnte natürlich bloss bedeuten, dass sie sich explizit auf das London der Vergangenheit bezog.
Nitpicking:
Nachdem Moriarty eine Zeichnung der Enterprise anfertigt, überreicht er sie Data. Dieser verlässt das Holodeck, gefolgt von Geordi, der wissen will, was auf dem Papier zu sehen sei. Data gibt ihm das Papier; Geordi sieht es sich an und dreht es dann um die horizontale Achse, so dass auch wir die Zeichnung des Schiffes von der Seite sehen. Nur: Wenn wir das Schiff nach der Drehung richtig sehen, so bedeutet das, dass Geordi das Bild auf dem Kopf sah und sich offenbar nicht daran störte.
Gelegentlich wird behauptet, Picard habe am Ende gelogen, als er sagte, Holodeckmaterie könnte in der realen Welt nicht bestehen: Schließlich konnte Data jene Zeichnung der Enterprise aus dem Holodeck entfernen. Die Erklärung dafür ist natürlich, dass das Holodeck sehr wohl Gegenstände erschaffen kann, wie es auch der Replikator in der Serie tut nur ist das nicht das gleiche wie das Erschaffen von Personen mit Bewusstsein: Sie müssen vom Computer gesteuert werden, und das geht nur in speziell dafür vorgesehenen Räumen. (Analog zum Doktor aus "Star Trek: Voyager".) Picards Behauptung deckt sich auch gänzlich mit dem, was in der ersten Season festgelegt wurde, in der Episode "The Big Goodbye" (dt: Der große Abschied).
Warum bringt am Ende der "große Hebel" in Moriartys Labor das Schiff zum Schütteln??
Zitate:
Data erklärt sein Vorgehen: "Deduction, pure and simple... well, not that simple."
Der beste Austausch der Episode findet zwischen Picard und Pulaski statt, die einige Zeit als Geisel gehalten wurde. Picard: "You're all right?" Pulaski: "Yes, except for being crammed full of crumpets."
Der wichtigste Satz der Episode, von Moriarty: "What I have seen, what I have learned… fascinates me. I do not want to die."
Einschaltquoten von Martin Seebacher:
In den USA hatte diese Episode ein Rating von 10,8.
Im ZDF waren nur zwei Millionen Zuschauer dabei, als Data zum ersten Mal in die Fußstapfen des großen Sherlock Holmes trat.
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