Inhalt:
Erstmals seit 111 Jahren erhält die Föderation eine Nachricht von den Sheliak, einer undurchsichtigen Spezies, mit der die Föderation ein Abkommen abgeschlossen hat. In diesem wurde den Sheliak unter anderem der Planet Tau Cygna V zugestanden. Diesen wollen sie nun kolonisieren, doch eine Kolonie von Menschen hat sich bereits dort niedergelassen. Die Sheliak geben Picard streng nach den Bestimmungen des Vertrags vier Tage Zeit, die Menschen zu entfernen. Andernfalls würden sie ausgelöscht, da die Sheliak in den Menschen nur eine niedere Lebensform sehen.
Bei Tau Cygna V angekommen, findet die Enterprise tatsächlich eine Kolonie. Offenbar konnten Menschen auf dem Planeten überleben, obwohl er starker Strahlung ausgesetzt ist. Die Transporter und die Phaser funktionieren in dieser Umgebung jedoch nicht. Data kann sich der Strahlung gefahrlos aussetzen und besucht deshalb den Planeten alleine. Dort findet er über 15000 Menschen, deren Vorfahren von ihrem Kurs abgekommen waren und auf Tau Cygna V notlandeten. Sie passten sich der Strahlung an und bezwangen die Wüste. Ihr derzeitiger Anführer, Gosheven, will von Datas Warnungen nichts hören; er will in seiner Heimat bleiben und, wenn nötig, mit den Sheliak kämpfen. Data hat keinen Erfolg dabei, Gosheven von der Aussichtslosigkeit dieses Unterfangen zu überzeugen. Er erhält jedoch Unterstützung von einer Frau der Kolonie, Ard'rian, die sich besonders für künstliche Lebensformen interessiert und Data Glauben schenkt (sowie einen Kuss). Data und Ard'rian versuchen, die Bewohner der Kolonie mit Worten zu gewinnen. Dies scheitert. Data modifiziert deshalb einen Phaser, damit er in der Umgebung des Planeten funktionieren kann, und demonstriert damit, wie sinnlos ein Kampf gegen die noch viel mächtigeren Sheliak wäre. Schließlich hat Gosheven ein Einsehen. Data verabschiedet sich von Ard'rian, die sich in ihn verliebt hat; dies kann er nicht erwidern, trotz seiner neuen Einsicht in das menschliche Verhalten.
Derweil verlangt Picard von den Sheliak eine Verlängerung der Frist, da sich die Kolonie ohne Transporter nur über einen Zeitraum von mehreren Wochen evakuieren lässt. Die Sheliak sind unkooperativ und bestehen auf ihren Recht gemäss des Vertrags. Picard findet jedoch eine Klausel, gemäß der er eine Drittpartei seiner Wahl hinzuziehen kann, um den Konflikt zu lösen. Er wählt eine Spezies, die sich noch sechs Monate im Winterschlaf befinden wird, und schlägt die Sheliak so mit ihren eigenen Waffen.
Kommentar:
"The Ensigns of Command" ist eine stimmungsvolle Episode mit zwei Handlungssträngen, die sich ergänzen. Picard muss mit den Sheliak verhandeln, die auf dem exakten Wortlaut eines Vertrags beharren. Er kann diese Zwangsjacke zu seinem Vorteil nutzen, indem er strenge Logik kreativ einsetzt. Währenddessen ist Data mit dem entgegengesetzten Problem konfrontiert: Er hat mit einem Mann zu tun, der sich von keinen auch noch so folgerichtigen Argumenten überzeugen lässt. Deshalb muss Data zu Mitteln greifen, die mehr auf die Eingeweide als auf das Gehirn wirken.
Meistens sind unvernünftige Personen kein sehr fruchtbarer Boden, um Geschichten aufzuziehen. Hier jedoch passt dies sehr gut. Einerseits, weil Data mit einer Art "Wild West" Stadt und Mentalität zu tun hat. Dies passt zu einer Kolonie, die unter widrigen Umständen entstand. Man akzeptiert einen dickköpfigen Sheriff bis zu einem Grad; vermutlich hätte die Stadt ohne ihn nicht überlebt. Andererseits und wichtiger: Die Begegnung von Vernunft und Unvernunft (und ihre Überschneidung) ist nichts weniger als die Grundlage der Episode. Data muss erfahren, dass zwingende Logik nicht immer das beste Mittel ist, um Menschen zu überzeugen. (Beispielsweise kenne ich kein Argument zugunsten der Religion, das strenger Logik standhält dennoch ist Religion verbreitet und erfüllt offensichtlich ein Bedürfnis für viele Menschen.) Und dennoch: Es ist die Vernunft, mit der Data erkennt, wie er mit der Unvernunft umzugehen hat. Das ist, was ich mit Überschneidung meine. Die Sheliak hingegen sind streng logisch im Rahmen ihres Weltbildes, also vernünftig, wirken auf uns aber schon wieder unvernünftig (wiederum: Überschneidung); bezeichnend dafür ist, dass Picard mit den Sheliak umgehen kann, sobald er sich eines Tricks bedient, der "logisch", aber nach unserer gewöhnlichen Sensibilität absurd ist.
Dies ist endlich einmal eine solide Episode von Melinda Snodgrass, die in der zweiten Season die überschätzte Episode "The Measure of a Man" (dt.: Wem gehört Data?) schrieb, ebenso wie "Pen Pals" (dt.: Brieffreunde) und die furchtbare Episode "Up the Long Ladder" (dt.: Planet der Klone). Mit "Ensigns of Command" konnte Snodgrass erneut auf ihre juristische Kenntnisse zurückgreifen und mit den Sheliak ein bestechendes Bild von Juristen zeichnen.
"The Ensigns of Command" handelt von Data und den Grenzen der Logik im Umgang mit Menschen. Diese Geschichte erfüllt damit die Kriterien, die Michael Piller von seinen Episoden verlangt, wie ich es in "Evolution" ausgeführt habe; dies ist jedoch zufällig, da Piller noch nicht Chefautor war, als dieses Drehbuch geschrieben wurde. Es erläutert einfach einmal mehr, dass nicht alle Episoden schlecht waren, bevor Michael Piller die Leitung der Autoren übernahm. Umgekehrt gab es auch unter Pillers Leitung schlechte Episoden. Wichtig ist deshalb vor allem, dass die "Piller Kriterien" ab der dritten Season konsequent eingesetzt wurden, was zu einem großen Teil die Qualität der Episoden erklärt. Es ist zudem wichtig zu wissen, dass ein Chefautor durchaus sehr strenge Kontrolle über seine Drehbücher ausüben kann. So wird uns Snodgrass' nächste und letzte Episode, "The High Ground" (dt.: Terror auf Rutia-Vier), bereits deutlich näher an den Figuren bringen als ihre bisherigen. Dies muss nicht an Michael Piller liegen, aber es ist wahrscheinlich.
Zur Stimmung der Episode trägt vieles bei, unter anderem die vielen Erinnerungen an die Classic Serie, aus deren Zeit die Urväter der Kolonie stammen. So sehen wir Kostüme, die uns an das "Star Trek" der Sechziger erinnern (die Gürtelschnallen an Goshevens Mantel sind besonders eindrücklich), ebenso wie Computer (in Ard'rians Wohnung) und sogar, vielleicht ungewollt, eine Kulisse (Datas Landeplatz).
Erfreulich ist zuletzt noch der gute Einsatz von Counselor Troi. Wir sehen sie hier, während sie Picard auf seine Verhandlungen mit den Sheliak vorbereitet. (Ähnlich wie sie es in "The Big Goodbye" (dt.: Der große Abschied) in der ersten Season tut, als Picard eine komplizierte Begrüßungsrede halten muss.)
Bemerkenswertes:
Diese Episode wurde als erste der dritten Season gedreht (vgl. "Evolution").
Im Episodentitel "The Ensigns of Command" bezieht sich "ensign" nicht auf einen Dienstrang. Gemeint ist ein "Abzeichen" (in dem Sinne, dass Data während seiner Mission die Befehlsgewalt erhält). Sämtliche Bedeutungen des englischen Wortes "ensign" leiten sich von lateinischen "insignia" ab, was ebenfalls "Abzeichen" bedeutet und etymologisch verwandt ist mit den deutschen "Insignien". Der Dienstrang des "Ensigns" (dem niedrigsten Offiziersgrad) wurde in "The Next Generation" ursprünglich als "Fähnrich" übersetzt.
Die Dialoge von Grainger Hines (Gosheven) wurden von einem anderen Schauspieler nachsynchronisiert. Der Grund dafür ist mir nicht bekannt. Hines wird nicht in den Gaststar Credits der Episode genannt, offenbar auf Wunsch des Schauspielers. (vgl. Nemecek: "The Star Trek: The Next Generation Companion")
Der Dalai Lama und eine Gruppe von Mönchen statteten den Dreharbeiten zu dieser Episode einen Besuch ab. (Nemecek) Die DVD Box der dritten Season enthält im Zusatzmaterial ein Photo des Anlasses.
Eine der Figuren im Hintergrund von Ard'rians Wohnung erinnern auffällig an die Droiden aus den Star Wars-Prequels!
Wir sehen hier, meines Wissens erstmals, den neuen Phaser, der das ältere, rundlichere Modell ablöst. Das Modell wird sich nun bis zum Ende der Serie nicht mehr verändern.
Nitpicking:
Vielleicht bin ich vorbelastet, da ich zwei der letzten drei Episoden von Melinda Snodgrass vernichtend rezensiert habe ("The Measure of a Man" und "Pen Pals"), aber ich finde in ihren Drehbüchern immer besonders aufdringliche Logikfehler. Hier, zum Glück, ist er nur sehr klein (und dennoch aufdringlich). Picard erklärt Data, man müsse seine eigenen Grenzen zwar kennen, aber nicht bewerben. Beverly Crusher stimmt dem zu und fügt an, man beginne sonst auch, selbst an diese Grenzen zu glauben. Wie genau stellt sie sich vor, dass man die eigenen Grenzen "kennt" aber nicht an sie "glaubt"?
Ard'rian fragt Data, was ein Phaser sei. Dies ist erstaunlich, da das Kolonieschiff angeblich vor 80 Jahren verloren ging, also ungefähr zur Zeit der Classic Series, als es Phaser bereits gab. (Hingegen fragt Ard'rian, ob Datas System "duotronisch" sei, was ein Ausdruck aus der Classic Series ist und von jemandem stammen muss, der die Zeitverhältnisse kennt. Kirks Enterprise hatte duotronische Systeme.) Es könnte natürlich sein, dass die Waffentechnik auf dem relativ friedlichen Tau Cygna V in Vergessenheit geraten ist.
O'Brien trägt in dieser Episode ein Rangabzeichen über dem Ensign, so dass er auch eine der neuen Uniformen tragen darf (vgl. "Evolution"). In "Family" der vierten Season wird aber festgelegt, dass O'Brien kein Offizier ist, sondern gewissermaßen nur ein "Matrose". Diese Unstimmigkeit ist nicht weiter erstaunlich, da die Figur nach und nach entwickelt wurde; so erhielt sie beispielsweise ihren Vornamen ("Miles") auch erst in der vierten Season.
Zitate:
Ard'rian: "You really don't understand human behaviour, do you?"
Data: "That is something of an understatement."
Picard verwendet eines der schöneren Wörter der englischen Sprache: "Three weeks. Starfleet is profuse in its apologies, but it will still be three weeks until the arrival of a colony ship with dedicated personnel shuttles."
Einschaltquoten (von Martin Seebacher):
Die US-Quoten zu dieser Folge sind leider nicht bekannt.
Im ZDF verfolgten 0,82 Mio. Zuschauer die Erstausstrahlun, bei der Sat.1 Erstsendung (13.1.1994) waren 1,42 Mio. Zuschauer dabei, was einem Marktanteil von 16,1% entsprach.
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