Star Trek - The Next Generation: 53
"The Bonding" (Mutterliebe)

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Staffel3
52: "Who Watch..."
54: "Booby..."
US-Erstsendung:
21.10.1989

ZDF-Erstsendung:
31.7.1992

Regie:
Winrich Kolbe

Drehbuch:
Ronald D. Moore

Gaststars:
Susan Powell
als Lt. Marka Aster

Gabriel Damon
als Jeremy Aster

Colm Meaney
als Chief O'Brien

Inhalt:

SzenenbildBei einer archäologischen Außenmission wird Dr. Marla Aster von einem versteckten Sprengsatz getötet. Sie hinterlässt auf der Enterprise einen zwölfjährigen Sohn namens Jeremy. Sein Vater ist bereits tot, so dass der Junge nur noch einen Onkel auf der Erde hat. Picard hat die traurige Pflicht, dem Jungen die schlechte Nachricht zu überbringen.

Während Jeremy sich Videoaufzeichnungen von seiner Mutter ansieht, entsteht auf dem Planeten ein Energiefeld. Deanna spürt eine Lebensform. Das Energiewesen begibt sich auf die Enterprise, wo es Jeremy in Gestalt seiner Mutter aufsucht. Als Deanna mit dem Wesen spricht, erfährt sie, dass es auf dem Planeten zwei Lebensformen gab. Die stofflichen Wesen haben sich vor vielen Jahren in einem Krieg ausgelöscht, nun seien nur noch die Energiewesen übrig. Da eine der aus dem Krieg stammenden Minen nun erneut einen Toten gefordert hat, wolle man dieses Leid nicht länger tolerieren. Das fremde Wesen bietet an, mit Jeremy auf dem Planeten in einer perfekt rekonstruierten Simulation zu leben und ihm so seine Mutter zurückzugeben.

Picard kann mit Hilfe von Wesley und Worf dem Alien erklären, dass man dem Jungen keinen Gefallen tut, wenn man ihm auf diese Weise die Trauer erspart. Jeremy muss mit seinen Erinnerungen leben, nicht in ihnen. Daraufhin verlässt das Wesen die Enterprise. Worf verbrüdert sich mit dem Jungen.

Kommentar:

"The Bonding" ist eine sehr gute Episode, in der die Figuren exakt getroffen sind und so manches über ihr Innenleben offenbaren dürfen. Das gilt vor allem für Worf, dessen Ansichten über den Tod und über die Ehrung der Toten erneut gezeigt werden, aber auch für Wesley, der nun endlich offen über den Tod seines Vaters sprechen darf. Aber auch die Empfindungen von Picard stehen bei dieser Episode im Zentrum. Patrick Stewart versteht es meisterhaft, Gefühl, Stärke und Verletzlichkeit auszudrücken. Besonders gelungen ist die Szene, in der er sich seiner Pflicht stellt, Jeremy die schlechte Nachricht zu überbringen. Er beklagt seine Aufgabe und den Umstand, dass sich Kinder auf der Enterprise befinden, doch dann stellt er sich der Situation. Standhaft steht er auch Wesleys Äußerungen gegenüber, als Wesley zugibt, er hätte sich damals gewünscht, Picard wäre anstelle seines Vaters gestorben. Es kann wohl niemand so gut sanfte Autorität ausstrahlen wie Patrick Stewart.

Die beste Szene der Episode ist die, in der Picard dem Energiewesen und dem Jungen gegenübertritt. Er wirkt dabei sehr ruhig, und er erkundigt sich erst nach Jeremy und spricht mit ihm, sehr sanft und Sicherheit ausstrahlend, bevor er sich an das Alien wendet.

Das ganze gerät gegen Ende ein wenig aus dem Ruder, als Jeremys Mutter ein bisschen zu oft erscheint und wieder verschwindet. Dies macht einen gestreckten Eindruck. Auch gibt es im Finale ein wenig sehr viele in die Länge gezogene Aussprachen, die von der eigentlichen Thematik ablenken, nämlich dass Trauer und Verlust elementare Bestandteile des Lebens sind. Auch hat man im Finale ein wenig zu schnell den Eindruck, dass nun alles in Ordnung sei, zumal die Ereignisse für Jeremy regelrecht traumatisch gewesen sein müssen. Bis dahin aber erlebte man eine sehr gefühlvolle Episode, die genau den Nerv der Serie traf.

Besonders eindrucksvoll an der Episode ist die sehr moderne Einstellung. Trauer und Schmerz sind keine Elemente, die man von Kindern fernhält, und daher versucht auch niemand, Jeremy aufzuheitern oder abzulenken. Es ist wichtig, dass er die Phase der Trauer durchlebt, weil sie Teil des Lebens ist. Es geht nicht darum, ihm die Trauer wegzunehmen, sondern ihm beim Trauern beizustehen. Nur wer so mit den negativen Empfindungen umgeht, wird sich nicht in Simulationen und Illusionen flüchten müssen.

Das Drehbuch zu dieser Episode schrieb Ronald D. Moore, ein junger Autor, der für Star Trek entdeckt wurde und der hier eine eindrucksvolle Karriere starten konnte. Seine Idee war es, dass Jeremy sich auf dem Holodeck eine Traumwelt kreiert, in der seine Mutter noch lebt. Laut Äußerungen von Michael Piller auf dem Zusatzmaterial der DVD-Box wurde dies von Gene Roddenberry mit dem Argument abgelehnt, in der Sternenflotte würde der Tod als etwas Alltägliches akzeptiert sein. Dies ist eine wenig nachvollziehbare Einstellung, es liegt der Verdacht nahe, dass Michael Piller Gene Roddenberry wohl falsch verstanden hat. Roddenberry dürfte gemeint haben, dass die Menschen des 24ten Jahrhunderts nicht mehr das Bedürfnis oder gar die Pflicht verspüren, negative Gefühle mit Hilfe von Hilfsmitteln wie Illusionen (oder Drogen) zu verdrängen.

Wenn es stimmt, dass das Alien deswegen eingeführt wurde, um das Holodeck auszuklammern, so dürfte dies die Story in der Tat verbessert haben, auch wenn es sicher reizvoll gewesen wäre, die Gefahren des Missbrauchs des Holodecks im Zusammenhang mit toten Angehörigen aufzuzeigen. So aber kehrte Star Trek zu seinem Kern zurück: Einem Alien wurde eine menschliche Eigenheit vorgestellt, es wurde erklärt, warum reelle Trauer besser ist als eine glückliche Illusion. Dennoch schlichen wohl einige Dialoge um Roddenberrys angeblichen Standpunkt wie die Katze um den heißen Brei, und letztlich setzte sich dann doch die Erkenntnis durch, dass man seine Gefühle beim Verlust nahestehender Menschen nicht durch rationale Überlegungen besiegen kann. Letztlich dürfte dies wie gesagt auf einem Missverständnis von Roddenberrys Äußerungen liegen: Die Akzeptanz von Trauer heißt ja gerade nicht, dass man sie durch Überlegungen wie "der Tod gehört zum Dienst in der Sternenflotte" beseitigt. Es geht nicht darum, das Leid zu besiegen, es geht darum, es zu erleben.

Data ist wunderbar in seinem Element, als er in einem Gespräch mit Riker meint, dass einem eigentlich jeder Tod gleichermaßen nahe gehen müsste, worauf Riker erwidert, dass dann so mancher Krieg wohl weniger blutig verlaufen wäre. Es ist fast schon ein cleverer Seitenwink, weil sich diese Episode erstmals in der Star-Trek-Geschichte ausführlich dem Verlust eines völlig unbekannten Besatzungsmitgliedes widmet. Natürlich geht auch uns Zuschauern der Tod von Marla Aster nicht so nahe wie der Tod von Tasha Yar.

Deanna darf erneut psychologische Ratschläge erteilen. Auch wenn sie manchmal ein wenig in simplen Küchenpsychologieweisheiten stecken bleibt, es zeigt, dass die Autoren nun endlich wissen, wie sie sich den Aufgaben der Figur widmen sollen und wie sie Deanna zu einem zentralen Bestandteil der Serie machen können.

Auch wenn mancher Tränendrüsendruck übertrieben und einige Dialoge etwas schmalzig geraten sein mögen, so ist "The Bonding" doch eine der ersten Episoden, bei der den Figuren sehr glaubhaft Tiefe und Gefühl verliehen wurde, und die mit einer ruhigen und sachlichen, aber nicht emotionslosen Konfliktbewältigung genau das verkörpert, was man an Stimmung und Atmosphäre mit der Next Generation verbindet.

Bemerkenswertes:

Tashas Tod wird in dieser Episode angesprochen.

Dies ist im Grunde die erste Episode im ganzen Star-Trek-Universum, die sich gezielt mit dem Tod eines Crewmitgliedes und den Folgen auseinandersetzt, ohne dass es sich dabei um eine Hauptfigur handelt.

Eine schlechte Figur macht Beverly. Als Wesley ganz offensichtlich über seinen Vater sprechen will, schafft sie es kaum, ihn anzusehen. Sie wendet sich stets ab und gibt ausweichende Antworten, so als sei dies zwischen ihr und Wesley ein Tabu. Allein ihre als Ärztin erworbenen psychologischen Erkenntnisse müssten sie wissen lassen, wie falsch sie sich verhält.

Nitpicking:

Es wird nicht ganz klar, weshalb Deanna einige Sekunden vor der Explosion spürte, dass etwas nicht stimmt. Hat sie die Gefühle der Energiewesen empfangen?

Arme Deanna. Sie ruft "sofort hochbeamen", aber Picard gibt den Befehl erst, als er die Katastrophenmitteilung von Worf erhält. So ganz ernst nimmt man sie anscheinend noch immer nicht.

Vielleicht wurde es nur zu kurz zusammengeschnitten, aber so wie es in der Episode wirkt, scheint Dr. Crusher keinerlei Wiederbelebungsversuche wegen Marla Aster unternommen zu haben.

Picard meint zu Jeremy, auf der Enterprise sei niemand allein. Dennoch sieht man daraufhin mehrere Szenen, in denen der zwölfjährige Jeremy einsam in seinem Quartier sitzt. Hat man unter den 1000 Leuten wirklich niemanden gefunden, der sich zumindest in der Nähe des Jungen befindet?

Hintergrund:

Die Hintergründe zur Episode widersprechen sich ein bisschen. Laut Michael Piller wollte Gene Roddenberry nicht, dass Jeremy auf dem Holodeck seine Mutter nachbildet, weshalb man auf die Idee mit dem Alien zurückgriff (Extra der DVD-Box). Laut Ron Moore aber war das Alienwesen von Anfang an geplant, es wurden nur die Holodeck-Szenen gestrichen, weil man nicht schon wieder eine Holodeckfolge wollte. Daher sieht sich Jeremy Videoaufzeichnungen auf einem Padd an. (Gross & Altman: Captain's Logbuch)

Regisseur Winrich Kolbe war nicht so begeistert von dem Drehbuch, auch war er von Gabriel Damon, dem Darsteller des Jungen, nicht überzeugt. Gabriel Damon spielte später in "Robocop II" mit. Kolbe meinte zudem, er habe den Jungen wegen seiner abstehenden Ohren immer Clark Gable jr. genannt, was ihn nicht gerade als Könner im Umgang mit Kindern auszeichnet. (Gross & Altman: Captain's Logbuch)

Details:

Worf war sechs Jahre alt, als seine Eltern auf Khitomer getötet wurden. Wesley war jünger als Jeffrey, als sein Vater starb. Es war Picard, der Wesley die Nachricht überbrachte.

Zitat:

"On the starship Enterprise no one is alone." (Picard)

Einschaltquoten (von Martin Seebacher):

Die Folge erzielte ein Rating von 9.9 Punkten bei einem recht schlechten 6. Platz in den US-Syndication Charts.

In Deutschland erreichte die Folge im ZDF 710 000 Zuschauer. Die Sat.1 Erstausstrahlung (18.1.1994) erreichte 18 Monate später stolze 1,54 Mio. Zuschauer bei einem Marktanteil von 15,9%.

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Letztes Update:
28. Juli 2002

©2002 Thomas Höhl.