Inhalt:
Nach langen Streitigkeiten erreichte die Föderation einen unsicheren Frieden mit dem Imperium der Cardassianer. Dieser Frieden wird gefährdet, als ein Captain der Föderation, Benjamin Maxwell von der Phoenix, sein Schiff in den Raum der Cardassianer befiehlt und beginnt, Transportschiffe anzugreifen und zu zerstören. Die Enterprise soll Maxwell verfolgen und um guten Willen zu demonstrieren, nimmt sie eine Delegation von Cardassianern als Beobachter an Bord, geleitet von Gul Macet. Zusammen beobachten sie aus der Ferne, wie die Phoenix weitere cardassianische Schiffe zerstört.
Miles O'Brien diente während der Krieges mit den Cardassianern unter Captain Maxwell und hält es für unwahrscheinlich, dass er grundlos angreifen würde. Maxwell wird gefunden und behauptet, er habe Beweise, dass die Cardassianer wieder aufrüsten. Picard fordert Maxwell auf, der Enterprise ins Gebiet der Föderation zu folgen, überlässt Maxwell aber das Kommando über sein Schiff. Maxwell hält sich aber nicht daran und fängt statt dessen weitere Schiffe der Cardassianer ab. Er fordert Picard auf, diese Schiffe zu untersuchen, um Beweise für die Richtigkeit seiner Behauptungen zu finden. Picard weigert sich: Sein Auftrag sei es, den Frieden zu wahren. Daraufhin beamt O'Brien auf die Phoenix und spricht mit seinem alten Captain. Er findet einen Mann, der vom Krieg gebrochen wurde, kann ihn aber davon überzeugen, sein Kommando aufzugeben. In einer letzten frostigen Szene wird Macet von Picard gewarnt: Maxwells Vorgehen möge falsch gewesen sein, aber er behalte mit seinen Behauptungen wahrscheinlich Recht die Föderation werde wachsam sein.
Kommentar:
"The Wounded" ist von großem Interesse für den Fan. In dieser Episode werden erstmals die Cardassianer vorgestellt, und ebenso ist dies die erste Episode, die Miles O'Brien (und seine Ehefrau Keiko) als mehr als nur eine Nebenfigur behandelt. Damit waren zwei wichtige Grundsteine für die Spin-Off-Serie "Deep Space Nine" gelegt, in der die Cardassianer in wichtiger Teil des Hintergrundes und O'Brien eine Hauptfigur wurden. Davon wusste im Januar 1991 natürlich noch niemand, und "The Wounded" war nichts mehr oder weniger als eine solide, packende, grimmige Episode.
Die Episode stellt in vieler Hinsicht das beste der vierten Season der "Next Generation" dar: Sie bringt alles letztlich auf einen persönlichen Nenner. So wird der Krieg mit den Cardassianern durch die Augen von O'Brien betrachtet: Wenn es sich hier um den zweiten Weltkrieg handelte, dann wäre seine Perspektive nicht die von Franklin Roosevelt, sondern jene des dritten Mannes von links, der sich in den Eröffnungsszenen von "Saving Private Ryan" übergeben muss. Es ist unmittelbar und persönlich, und erstaunlich mitreißend nach meinem Empfinden und dies ist kein schwaches Lob, denn ich tue mich schwer mit psychologisierenden Monologen jeder Art, im Besonderen mit jenen von Kriegsveteranen. Es ist dabei besonders schön, wie das Thema gewissermaßen in O'Briens Wohnzimmer gebracht wird. Es ist eben dies die Zeit während der "Next Generation", in der die Brücke immer mehr Filmzeit mit den privaten Quartieren der Crewmitglieder teilen muss.
Die Geschichte von Captain Maxwell ist ein Spiegelbild für O'Brien: Maxwell kam mit dem Krieg nie ins Reine, während es O'Brien gelang. (Wie passend für die gesellschaftsfreudige "Next Generation", dass der Mann verloren ist, dessen Familie getötet wurde. Aber mehr über die immer präsente Gesellschaft in Kürze.) Die Geschichte über den durchgedrehten Captain, der nicht mit dem Ende des Krieges umgehen kann, ist vielleicht nicht besonders originell und auch nicht spannend für uns Zuschauer höchstens insofern, als dass sie O'Brien betrifft (den ich nun großzügig als Hauptfigur zähle) und seine Person widerspiegelt. Aber es gibt noch eine zweite, thematische Dimension der Geschichte, die uns erst am Ende der Episode klar wird: Es stellt sich beinahe ohne Zweifel heraus, dass Maxwell in seiner Behauptung völlig Recht hatte, denn die Cardassianer führen tatsächlich Übles im Schild. Die Episode kommt damit auf das dominante Thema der Season, ja der Serie zurück: die Gesellschaft. Innerhalb einer Gesellschaft gibt es Regeln zu befolgen, die sogar wichtiger sein können als die Wahrheit. Maxwell hat kein Recht, auf eigene Faust zu handeln und den Frieden der Föderation zu gefährden, unabhängig von der Richtigkeit seiner Überzeugungen. Dies spiegelt die Geschichte von Worf in der dritten Season wider, der sich zum Schutz der klingonischen Gemeinschaft aus dieser ausschließen lässt.
(Ein Bezug zum Krieg im Iraq von 2003, der auch gegen den Willen einer größeren Gemeinschaft geführt wurde, ist an dieser Stelle passend. Ich würde den aktuellen Bezug gar nicht herstellen, wenn es der Zufall nicht wollte, dass diese Episode am 28. Januar 1991 erstmals ausgestrahlt wurde während des ersten Golfkrieges, der vor einem völlig anderen gesellschaftlichen Hintergrund stattfand. Timothy Lynch, vielleicht der prominenteste Rezensent der "Next Generation" und ein Kind des embryonalen Internets, stellte damals einen Bezug zur Rolle des gewöhnlichen Soldaten her, für den der Krieg auf beiden Seiten ein vergleichbares Erlebnis ist ein prominentes Thema in der Episode: "While I won't comment on the main Iraqi leadership, I imagine that the Iraqi soldiers are in many ways similar to our own. Let's try to remember that Iraqi citizens, both in the Gulf and here as Iraqi-Americans, are just as human as the rest of us. Okay...sermon off." Meine eigene Predigt zielt mehr auf die Tatsache ab, dass, wie ich immer wieder erfahre, gute Erzählungen allerlei verschiedene Resonanz finden.)
Obwohl Picard im Verlauf der Episode klare Hinweise auf das vertragswidrige Verhalten der Cardassianer erhält, schickt er ihnen nur eine Warnung. Warum? Wieder: Um den Frieden der Föderation zu wahren, ebenso wie die fragile Harmonie zwischen der Föderation und den Cardassianern. Die Serie zeigt eine komplexe Realität mit unangenehmen Grautönen und wirkt dabei realer (und paradoxerweise auch inspirierender) als beispielsweise "The Drumhead" (dt.: Das Standgericht), eine schwarzweiße Episode mit einem einfachen Moralverständnis. Die Gesellschaft wird hier wieder einmal durch eine neue Brille betrachtet: nicht als Lösung aller Probleme, nicht blauäugig als unbestritten höchstes Gut aber als etwas Prekäres, das sich zu erhalten lohnt, und dessen Erhalt ehrbar ist (hierin liegt die Inspiration) trotz der damit einhergehenden Kompromisse.
Bemerkenswertes:
Rosalind Chao ist nach "Data's Day" wiederum als O'Briens Frau zu sehen. Marc Alaimo spielt hier einen Cardassianer, zwei Jahre bevor er als Cardassianer Gul Dukat von "Deep Space Nine" einen festen Platz im Bewusstsein des Fans bekam. Zuvor war Alaimo unter schwerem Make-Up in "Lonely Among Us" zusehen (dt.: "Die geheimnisvolle Kraft") sowie als Romulaner in "The Neutral Zone" (dt.: "Die neutrale Zone"). Er wird in "Time's Arrow" schließlich als Mensch auftreten (er und seine Kumpanen werden von Data beim Poker ausgenommen "Time's Arrow" ist eine vergnügliche Episode mit einem unmöglichen deutschen Titel, "Gefahr aus dem 19. Jahrhundert, Teile I und II", die ich mir bald für diesen Guide noch mal ansehen werde, worauf ich mich jetzt schon freue). John Hancock spielt Admiral Haden, der zuvor in "The Defector" zu sehen war.
Es wird die seit dem Borg-Zwischenfall dezimierte Flotte der Föderation erwähnt. Es ist wieder einmal bezeichnend, wie oft die Season auf die Ereignisse aus "The Best of Both Worlds" anspielt. Ein klares Zeichen dafür, dass die Serie längst einen weiteren Horizont als die einzelne Episode hat, auch wenn sie formal weiterhin dieses Format beibehält (was ich sehr unterstützte, wie ich auch immer wieder bemerke). Alleine in "The Drumhead" werden zwei Anspielungen gemacht: Erstens soll während den Reparaturen nach dem Zwischenfall jener Teil des Warpantriebs ersetzt worden sein, der explodiert und die Episode in Gang setzt und dann wird Picards Geisteszustand in Folge seiner Entführung in Frage gestellt. Die Episode bezieht sich also auf die Borg sowohl in kleinen, nebensächlichen, wie auch im großen, inhaltlichen Belangen.
Es wird erneut die Möglichkeit verwendet, um die Schilde eines Raumschiffes mit Hilfe bestimmter Zugangscodes zu senken, was in "Star Trek II: The Wrath of Khan" etabliert wurde.
Einschaltquoten (von Martin Seebacher):
Die Folge erreichte in den USA einen dritten Platz bei einem Rating von 12,1 Punkten.
In Deutschland waren bei der Erstausstrahlung 1,61 Mio. Zuschauer bei einem Marktanteil von 18,3% dabei.
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