Star Trek - The Next Generation: 87
"Devil's Due" (Der Pakt mit dem Teufel)

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Staffel4
86: "The Wounded"
88: "Clues"
US-Erstsendung:
2.2.1991

SAT1-Erstsendung:
7.3.1994

Regie:
Tom Benko

Drehbuch:
Philip Lazebnick

Story:
Philip Lazebnick and
William Douglas Lansford

Gaststars:
Marta Dubois
als Ardra

Paul Lambert
als Dr. Clarke

Marcello Tubert
als Jared

Thad Lamey
als Devil Monster

Tom Magee
als klingonisches Monster

William Glover
als Marley

Inhalt:

SzenenbildDie Enterprise reagiert auf den Notruf von Ventax II, einem friedlichen und gedeihenden Planeten mit verängstigten und blutarmen Bewohnern. Ihre Überlieferungen erzählen von einem Pakt, den die Bewohner des Planeten vor Generationen mit einem übernatürlichen Wesen namens Ardra schlossen: Im Gegenzug dafür, dass Ardra die Umweltprobleme des Planeten lösen und ihm ein Jahrtausend des Wohlstands gönnen würde, sollte sie nach Ablauf des Jahrtausends Herrin des ganzen Planeten werden. Nun sind die tausend Jahre abgelaufen, und tatsächlich ist eine Ardra erschienen, um ihren Lohn einzufordern.

Ardra kann Erdbeben auslösen, nach freiem Willen erscheinen und verschwinden und ihre Form verändern, und sie beherrscht allerlei atemberaubende Tricks, so dass sie von den Ventaxianern als echt akzeptiert wird. Die Crew der Enterprise ist jedoch skeptisch und verlangt eine genaue Untersuchung der Angelegenheit. Kernstück davon ist eine Verhandlung über die Gültigkeit des Vertrags. Ardra hält alle während langer Zeit in Schach, doch nach und nach gelingt es der Enterprise, ihre Tricks als solche zu entblössen und zu beweisen, dass die Frau, die sich als Ardra ausgibt, nichts weiter ist als eine kompetente und gut ausgerüstete Betrügerin, die von den Legenden der Ventaxianer profitieren wollte. Picard kann den Anführer des Planeten überzeugen, dass Ardra nur ein Mythos war und dass der Wohlstands seines Volkes in Wahrheit das Resultat von Vernunft und gutem Willen war, nicht von übernatürlicher Intervention.

Kommentar:

Bei dieser Episode steckt der Teufel im Detail, da eine im Grunde solide Prämisse, die sich inhaltlich auch sehr gut in die Serie einfügt, von allerlei Kleinigkeiten beinahe ungeniessbar gemacht wird. Mir gefällt der Gedanke, dass hier ein bösartiger Gott als Betrüger entlarvt wird; sämtliche Fortschritte, die der Gnade Gottes zugeschrieben wurden, waren in Wahrheit das Werk von Menschen. In dieser Umkehrung wiederspiegelt sich der Humanismus der Serie (lang und breit besprochen in "Who Watches the Watchers", dt.: Der Gott der Mintakaner), der den Menschen und seine Möglichkeiten ins Zentrum rückt und irreführende Gottesbilder entfernt. Den Menschen und seine Möglichkeiten – denn es geht nicht nur darum, dass die Menschen die Verantwortung für ihre eigenen Untaten übernehmen und aufhören, sie einem Gott und dessen mysteriösen Wegen zuzuschreiben (eine der traurigsten und gefährlichsten Traditionen von Religionen). Nein: Es geht auch um die Anerkennung des Guten, das Menschen von Vernunft und gutem Willen vollbringen können. Die Episode setzt damit dem falschen Gott, der in "Watchers" bereits das Thema war, einen neuen Dreh auf: Es geht hier nicht um einen falschen Gott, der Unfrieden stiftet, sondern um einen, der sich Ehre erhascht, die ihm nicht gebührt.

Es ist also keineswegs die Prämisse oder die Geschichte in ihren groben Umrissen, die mir missfällt. Es ist auch keineswegs so, dass mich die Geschichte nicht mitreissen mag. Aber sie verstösst so oft gegen die Logik dieses Serienuniversums, dass mir die ganze Episode versäuert wird. Es ist die berühmte "suspension of disbelief", die "Unterdrückung des Unglaubens", an der es hier hapert. Ich störe mich vor allem an der immensen Macht, die Ardra zugeschrieben wird. Es grenzt tatsächlich an Magie: Ardra kann auftauchen, wo und wann sie will, sie kann ganze Schiffe verschwinden lassen (ohne dass man es von aussen findet oder die Leute auf dem Schiff ein Signal aussenden können), und sie kann all das, ohne Spuren zu hinterlassen. Ich bin kein Nitpicker, der sich über kleine Ungereimtheiten aufregt. Was mich stört, ist dieses äusserste Extrem, in dem eine Trickbetrügerin in der Lage ist, die etablierten, gewaltigen Möglichkeiten der Enterprise während beinahe einer ganzen Episode zu umgehen. Man erhält den Eindruck, Picard und seine Crew wollten selbst noch ein bisschen länger an die Magie glauben! Es geht mir hier um die Konsistenz des Serienuniversums. Schiffe zu tarnen gilt in der Serie normalerweise als eine diffizile Angelegeheit, sicherlich nicht als etwas, was aus der Distanz so perfekt machbar ist, dass die Enterprise zwei Akte lang nicht gefunden wird. Ich akzeptiere Transporter und Hologramme, aber bei beidem muss zumindest die Illusion gewahrt werden, es fusse auf realer Physik und sei ein messbares Phänomen. (In "Star Trek: Voyager" wurden oft die Einschränkungen des Hologramms als Aufhänger für Geschichten benutzt, was ich besonders vorbildlich finde: Es braucht eben einen Projektor im Raum, sonst läuft kein Hologramm.) "Devil's Due" hat kein Feingefühl für die Konventionen des Serienuniversums.

Diese Episode entstand wie "The Child" der zweiten Season auf der Grundlage eines Entwurfes, der für "Star Trek Phase II" geschrieben wurde. Diese geplante zweite "Star Trek" Fernsehserie mit den ursprünglichen Schauspielern der Classic Serie war am Ende der 70er Jahre bereits weit fortgeschritten. Das Projekt wurde schliesslich gestoppt und als "Star Trek: The Motion Picture" auf ein neues Gleis gebracht. Übrig blieben ungefähr eine halbe Season an Story Entwürfen, derer sich die Autoren der "Next Generation" zweimal bedienten. Die Geschichte von "Phase II" wurde dokumentiert in einem Buch von Judith und Garfield Reeves-Stevens, in dem auch das Drehbuch zum geplanten Pilotfilm sowie Zusammenfassungen der ersten dreizehn Episoden enthalten sind. Ich habe die Zusammenfassung von "Devil's Due" – der Titel blieb erhalten – gescannt und dem Guide beigefügt (siehe Bemerkenswertes), da ich die Unterschiede zwischen der ursprünglichen Geschichte und der Fassung in der "Next Generation" für bezeichnend halte.

An einigen Stellen der Episode glaubt man förmlich Captain Kirk zu hören, wenn Picard spricht. Es mag Einbildung sein, weil Kirk der grösste Ankläger von Supercomputern und anderen falschen Göttern in der Geschichte des Fernsehens war. Wichtiger aber ist der deutliche Unterschied zwischen der ursprünglichen Geschichte, die für "Phase II" geplant war, und der überarbeiteten Version für die "Next Generation". Der Episode wurde erst in der Überarbeitung jener humanistische Einschlag verliehen (siehe oben), der für die "Next Generation" so typisch ist. In der Originalgeschichte ist das Energiewesen, der Teufel, echt. Es gab tatsächlich irgendeine quasi-übernatürliche "gute" Kraft, die dem Planeten vor Jahrhunderten half, und die ausgeglichen wurde von einer "bösen" Kraft, die bezwungen werden muss. Die Bewohner des Planeten gaben in der Originalgeschichte ihre "schmutzige" moderne Technik auf zugunsten eines "sauberen" ländlichen Lebens. In der "Next Generation" ist das Gottes- bzw. Teufelsbild aber nichts anderes als ein Betrug, der keinen direkten Einfluss auf die Verbesserungen hatte, die der Planet erfuhr. Bezwungen wird nur der Aberglaube. Alles, was auf dem Planeten erreicht wurde, war die Leistung von Menschen (oder Aliens, aber in "Star Trek" sind Aliens nur stellvertretend für Menschen) und ihrer Technik, die für das Gute verwendet wurde. Wieder einmal wird ein mythisches Wesen, diesmal nicht Gott, aber der Teufel, entlarvt: als Märchen im harmlosesten, als irreführender Betrug im schlimmsten Fall. Der Unterschied zwischen den beiden Geschichten signalisiert in meinen Augen die philosophische Reife der "Next Generation", deren Humanismus auf sicheren Beinen steht. (Ansätze davon sind allerdings schon in der Originalgeschichte zu erkennen, in der das Energiewesen mit der Figur Zxolar verbunden ist. Zxolar war ursprünglich an der Schaffung des Energiewesens beteiligt, und das Energiewesen stirbt, wenn Zxolar stirbt. Die Symbolik drängt sich auf: Der Gott ist machtlos ohne die Menschen, die ihn schufen. Aber dennoch: Es war ein Gott, oder etwas verdächtig Ähnliches, und es hatte reale, autonome Macht.)

(Es ist eine traurige, aber unumgängliche Klammerbemerkung, dass sich der entschlossene Atheismus in "Star Trek" nicht halten konnte oder sicherlich ab einem gewissen Punkt nicht mehr zum Ausdruck kam, vielleicht aus Besorgnis um die Sympathie der Zuschauer. Gegen Ende von "Deep Space Nine" wäre ich kaum noch überrascht gewesen, wenn Sisko seinen Stab zum Gebet aufgefordert hätte – bis er dann schliesslich selbst zu einer Art Gott wurde, jedenfalls nach der bajoranischen Mythologie. Diese Mythologie wurde gegen Ende der Serie bezeichnenderweise kaum mehr hinterfragt und im Gegenteil sogar bestätigt: Letztlich fand die ganze bajoranische Mythologie eine Entsprechung in der Realität, die man höchstens anders, nämlich wissenschaftlich, interpretieren könnte. Die Wissenschaft wird dabei indirekt zu einer Art Weltanschauung erklärt, nicht mehr oder weniger zulässig oder wahr als eine Religion. Es darf einen nicht überraschen in Anbetracht des Wiederauflebens (um nicht zu sagen: der Wiedergeburt) der amerikanischen religiösen Rechten. Ich denke also mit Wehmut an die "guten alten Zeiten" von "Who Watches the Watchers" und damit auch an die Zeit, als "Star Trek" eine mutige und humanistische Fernsehserie war.)

Ob Picards eine Theorie stimmt und das Märchen als solches einen günstigen Einfluss auf die Entwicklung des Planeten hatte, sei dahingestellt. In dieser Unsicherheit sehe ich die Möglichkeit, dass Religionen zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Entwicklung einer Intelligenz durchaus auch etwas Hilfreiches bieten können – etwas Leitendes, vielleicht, oder sonst irgendwie ein philosophisches Gerüst, an dem alles Denken und Handeln befestigt werden kann.

Bemerkenswertes:

Star Trek BuchIm Teaser der Episode sehen wir Data als Scrooge in Charles Dickens' "A Christmas Carol". Diese Szene wurde eingefügt, da die Episode ursprünglich nicht lang genug war. Vermutlich war die Wahl nicht ganz zufällig, denn Patrick Stewart inszenierte während einiger Jahre "A Christmas Carol" jährlich als One-Man-Show am Broadway. Thematisch gibt es ebenfalls eine Verwandtschaft, da in der Szene Scrooge nicht an die Echtheit eines Geistes glauben mag.

Das Drehbuch basiert auf einem älteren Entwurf zur einst geplanten Neuauflage der Classic-Serie. Hier die Drehbuchentwurfsseiten des Entwurfs als Scan (aus dem Sachbuch "Star Trek: Phase II"):

Seite1
Seite2
Seite3
Seite4

Nitpicking:

Das Kostüm des klingonischen Teufels: Vielleicht eine Hommage an das Budget der Classic Serie?? (Allerdings ist dies nicht der klingonische Teufel, wie ich im "Star Trek: The Next Generation Companion" von Nemecek lese – die Klingonen kennen keinen Teufel, und dies war der Wächter von Gre'thor, den Ort, an den die entehrten Klingonen nach ihrem Tod gehen. Siehe dazu auch in meinem "Star Trek: Voyager" Guide die Episode " Barge of the Dead" aus der sechsten Season.)

Einschaltquoten (von Martin Seebacher):

In den amerikanischen Syndication Charts war die Folge mit einem dritten Platz bei einem sehr guten Rating von 13 Punkten vertreten.

Die Erstausstrahlung erzielte in Deutschland 1,77 Mio. Zuschauer und einem guten Marktanteil von 17,9%.

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Letztes Update:
18. Mai 2003

©2003 Rafael Scholl.